Zum 1. Januar 2025 traten – teils grundlegende – Änderungen in der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in Kraft, die durch das Erste und Zweite Modernisierungsgesetz beschlossen wurden. Die Änderungen betreffen sowohl das materielle Recht als auch das Verfahrensrecht und sollen der Vereinfachung und dem Bürokratieabbau dienen. Einige Regelungen werden nach der Gesetzesbegründung offensichtlich anders verstanden als es der Gesetzeswortlaut hergibt; insofern sind die Neuerungen teilweise handwerklich nicht gelungen. Ein Fragen-Antwort-Katalog zur Änderung im gemeindlichen Satzungsrecht wurde bereits auf der Internetseite des Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr veröffentlicht.[1] Die Veröffentlichung der Vollzugshinweise sowie kommunaler Mustersatzungen soll zeitnah folgen.
Wir stellen Ihnen die wichtigsten Änderungen vor:
1. Abstandsflächenrecht
Bislang galt in Großstädten mit mehr als 250.000 Einwohnern (München, Augsburg, Nürnberg) außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten sowie festgesetzten urbanen Gebieten eine Abstandsflächentiefe von 1 H, mindestens 3 m. Nunmehr gilt das in diesen Großstädten nur noch, wenn die nähere Umgebung überwiegend durch Gebäude der Gebäudeklassen 1, 2 oder 3 geprägt ist (Art. 6 Abs. 5a BayBO). Im Übrigen – wenn die nähere Umgebung überwiegend durch Gebäude der Gebäudeklassen 4 oder 5 geprägt ist – genügt nun auch in diesen Großstädten eine Abstandsflächentiefe von 0,4 H, mindestens 3 m. Hierunter fallen Gebäude mit einer Höhe von mehr als 7 m. Dabei ist die Höhe das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in der ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel.
Es wird teilweise vertreten, dass in den Fällen der Anwendbarkeit von 0,4 H die alte Berechnungsmethode nach Art. 6 Abs. 5a BayBO anzuwenden sei. Demnach wäre abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad zu einem Drittel, mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzuzurechnen. Die Höhe der Giebelflächen im Bereich des Dachs wäre abweichend von Art. 6 Abs. 5a Satz 3 und von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO bei Dachneigung von mehr als 70 Grad voll, im Übrigen zu einem Drittel angerechnet. Der Wortlaut des neuen Art. 6 Abs. 5a BayBO steht einer solchen Auslegung allerdings entgegen und spricht dafür, dass sich bei Anwendbarkeit von 0,4 H die Wandhöhe nach Art. 6 Abs. 4 BayBO berechnet. Es bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Vollzugshinweise insoweit Klarheit bringen.
2. Erweiterung der verfahrensfreien Bauvorhaben
Die in Art. 57 BayBO geregelten verfahrensfreien Vorhaben wurden erweitert. Die Verfahrensfreiheit entbindet jedoch nach wie vor nicht von der Pflicht, die materiellen Vorschriften einzuhalten. Unter anderem sind nun auch folgende Vorhaben verfahrensfrei möglich:
- Dachgeschossausbau
Der Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnzwecken einschließlich der Errichtung von Dachgauben ist verfahrensfrei, wenn die Dachkonstruktion und die äußere Gestalt des Gebäudes im Übrigen nicht verändert werden (Art. 57 Abs. 1 Nr. 18 BayBO). Die materiellen Vorschriften sind dennoch einzuhalten. Beispielsweise muss sich bei einem Dachgeschossausbau mit Errichtung von Dachgauben im unbeplanten Innenbereich dieses Vorhaben weiterhin in die Umgebungsbebauung einfügen. Führt der Dachgeschossausbau zu einem erhöhten Stellplatzbedarf, können auch die neuen Stellplätze nach Maßgabe von Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b) und Nr. 15 b), Abs. 2 Nr. 1 BayBO verfahrensfrei hergestellt werden.Allerdings besteht für den Dachgeschossausbau die Pflicht, diesen zwei Wochen vor Baubeginn in Textform bei der Gemeinde anzuzeigen (Art. 57 Abs. 7 BayBO).
Bisher waren nur folgende tragende und nichttragende Bauteile verfahrensfrei: zur Errichtung einzelner Aufenthaltsräume, die zu Wohnzwecken genutzt werden, im Dachgeschoss überwiegend zu Wohnzwecken genutzter Gebäude, wenn die Dachkonstruktion und die äußere Gestalt des Gebäudes nicht in genehmigungspflichtiger Weise verändert wurden (Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 c) a.F.). Diese Regelung entfällt zukünftig.
- Instandsetzungsarbeiten
Verfahrensfrei sind nun auch Instandsetzungsarbeiten (Art. 57 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayBO). Eine Instandsetzung kann insbesondere auch mit einem Eingriff in die Statik verbunden sein. Bisher waren nur Instandhaltungsarbeiten verfahrensfrei. Darunter fielen lediglich Maßnahmen, die dazu dienen, Gebrauchsfähigkeit und Wert von Anlagen unter Belassung von Konstruktion und äußerer Gestalt zu erhalten. - Gebietstypische Nutzungsänderungen
Nach dem neuen Art. 57 Abs. 4 BayBO ist nun verfahrensfrei die Änderung der Nutzung von Anlagen, wenn die die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen nach Art. 60 Satz 1 und 62 bis 62b als für die bisherige Nutzung in Betracht kommen, wobei andere öffentliche-rechtliche Anforderungen in diesem Sinne die Verfahrensfreiheit unberührt lassen, soweit die neue Nutzung gebietstypisch im jeweiligen Baugebiet nach den Vorschriften der Baunutzungsverordnung allgemein zulässig ist und kein Sonderbau betroffen ist. Der Wortlaut spricht dafür, dass eine Nutzungsänderung, die innerhalb des jeweiligen Baugebiets allgemein zulässig ist, verfahrensfrei ist – und zwar unabhängig von etwaigen weiteren bauordnungsrechtlichen Anforderungen nach Art. 60 Satz 1 und 62 bis 62b BayBO (etwa ein erhöhter Stellplatzbedarf). Auch in diesem Fall müsste der Stellplatzbedarf aber erbracht werden(s.o.).Entgegen dem Wortlaut geht die Gesetzesbegründung jedoch davon aus, dass sich die Erleichterung in Art. 57 Abs. 4 BayBO ausschließlich auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beschränkt. Weitere bauordnungsrechtliche Anforderungen würden demnach zur Genehmigungspflicht führen. Die praktische Relevanz dürfte damit aber eher gering sein, weil bei vielen Nutzungsänderungen ein anderer Stellplatzschlüssel gilt, was dann zur Genehmigungspflicht führt. Auch hier bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Vollzugshinweise Klarheit bringen.
Nachdem Bauherren kein Wahlrecht hinsichtlich der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens zukommt, sondern Vorhaben nach Art. 57 BayBO zwingend verfahrensfrei durchzuführen sind, empfiehlt sich bei gebietstypischen Nutzungsänderungen mit weiteren bauordnungsrechtlichen Anforderungen Folgendes: Um auf der sicheren Seite zu sein, kann ein formeller Bauantrag für die gebietstypische Nutzungsänderung eingereicht werden. Geht die Behörde davon aus, das Vorhaben verfahrensfrei, wird sie darauf entsprechend verweisen. Wird das Vorhaben daraufhin verfahrensfrei durchgeführt, dürfte das Risiko bauaufsichtlicher Maßnahmen wegen eines ggf. formellen Verstoßes gering sein.
3. Stellplatzpflicht
Zum 01.10.2025 tritt eine Kommunalisierung des Stellplatzrechts in Kraft. Eine Stellplatzpflicht besteht dann nur noch, wenn die Gemeinde dies ausdrücklich durch Satzung festlegt (künftiger Art. 47 BayBO). Dabei dürfen die in der novellierten Anlage zur Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) festgelegten Obergrenzen nicht überschritten werden. Beispielsweise sind dann für Wohngebäude nur noch maximal 2 Stellplätze je Wohnung, bei Mietwohnungen, für die eine Bindung nach dem Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz besteht, maximal 0,5 Stellplätze, möglich. Bisher (bzw. bis zum 30.09.2025) konnten Kommunen durch Stellplatzsatzungen hingegen auch eine höhere Stellplatzpflicht regeln.
Für Kommunen wurde eine Übergangsfrist bis zum 30.09.2025 gewährt. Daher entspricht der Art. 47 BayBO aktuell noch der bisherigen Fassung und ändert sich erst zum 01.10.2025. Insoweit finden bestehende Stellplatzsatzungen, die die festgelegten Obergrenzen der novellierten Garagen- und Stellplatzverordnung überschreiten, bis zum 30.09.2025 noch weiterhin Anwendung. Bestehende Satzungen, die die in der novellierten Anlage zur Garagen- und Stellplatzverordnung festgelegten Höchstzahlen nicht überschreiten oder durch Bebauungsplan oder durch eine andere Satzung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs nach Art. 81 Abs. 2 BayBO mit einer statischen Verweisung auf die Stallplatzsatzung erlassen worden sind, gelten auch nach dem 30.09.2025 weiterhin fort. Bei Bebauungsplänen und z.B. Innenbereichssatzungen mit statischer Verweisung, die bis zu diesem Stichtag in Kraft getreten sind, gelten die Stellplatzregelungen also auch dann fort, wenn Sie die Zahlen der Garagen- und Stellplatzverordnung überschreiten. Für Bebauungspläne und Satzungen, die nach dem 01.10.2025 in Kraft treten, müssen aber auch die Obergrenzen eingehalten werden.
Bis zum 01.10.2025 müssen Kommunen entweder bestehende Stellplatzsatzungen an die novellierte Garagen- und Stellplatzverordnung anpassen oder erstmalig eine entsprechende Stellplatzsatzung erlassen, wenn sie weiterhin eine Stellplatzpflicht regeln wollen. Ab dem 01.10.2025 ist in kommunalen Stellplatzsatzungen dann nur noch eine Abweichung von der novellierten Garagen- und Stellplatzverordnung nach unten möglich.
4. Freiflächengestaltungssatzungen
Weiterhin entfällt mit den BayBO-Novellen ab dem 01.10.2025 die Ermächtigungsgrundlage für kommunale Freiflächengestaltungssatzungen. Ab dem 01.10.2025 entfällt der aktuelle Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 BayBO und bestehende Freiflächengestaltungssatzungen treten mit Ablauf des 30.09.2025 außer Kraft. Den Kommunen bleibt dann nur noch die Möglichkeit, örtliche Bauvorschriften über das Verbot von Bodenversiegelung, nicht begrünten Steingärten sowie ähnlich eintönigen Flächennutzungen mit hoher thermischer oder hydrologischer Last oder erheblich unterdurchschnittlichem ökologischem oder wohnklimatischem Wert zu erlassen (künftiger Art. 81 Abs.1 Nr. 5 BayBO).
5. Aufstockungen
Eingeschossige Aufstockungen zur Schaffung von Wohnraum werden hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Anforderungen privilegiert. Sollen bestandsgeschützte Gebäude zur Schaffung von Wohnraum erstmals um nicht mehr als ein Geschoss aufgestockt werden, so sind auf bestehende Bauteile die Art. 25 bis 29 und 31 bis 34 BayBO nicht anzuwenden. Sie beeinflussen nicht die Einstufung in eine höhere Gebäudeklasse; im Bereich der Aufstockung gelten weiterhin die Anforderungen an die bisherige Gebäudeklasse (Art. 46 Abs. 6 BayBO).
6. Sonderbauten
Der Katalog der Sonderbauten wurde angepasst. Beispielsweise gelten nunmehr eingeschossige Verkaufsstätten bis 2.000 m² (statt bisher 800 m²) und Gaststätten bis 60 bzw. erdgeschossig bis 100 Gastplätze (statt bisher 40) als Sonderbauten (Art. 2 BayBO).
Für alle Fragen rund um das Bayerische Bauordnungsrecht stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte Dr. Daniel Pflüger und Monika Bandel gerne zur Verfügung.
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[1] https://www.stmb.bayern.de/buw/baurechtundtechnik/bauordnungsrecht/bauordnungundvollzug/index.php.