Anfang des Jahres 2021 ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) in Kraft getreten. Kernpunkt des Gesetzes ist das sogenannte Restrukturierungsverfahren, mit dem Unternehmen schon im Frühstadium einer Krise die Möglichkeit für eine außergerichtliche Sanierung erhalten. Doch die Kehrseite der Medaille ist, dass durch die Anmeldung des Restrukturierungsverfahrens für Geschäftsführer und Vorstände persönlich deutlich verschärfte Haftungsrisiken entstehen.
1. Hintergrund des StaRUG: Sanierung außerhalb der InsO
Seit Inkrafttreten des StaRUG besteht für Unternehmen erstmals die Möglichkeit, durch die gerichtliche Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens bereits deutlich vor Eintritt der Insolvenzreife eine Sanierung zu versuchen. Dafür muss die Geschäftsführung insbesondere einen Restrukturierungsplan vorlegen. Das Verfahren ermöglicht es dem Unternehmen, in einem nicht-öffentlichen Verfahren in eigener Regie die Sanierung in Ruhe durchzuführen. Die Verfügungshoheit der Geschäftsleitung bleibt erhalten.
2. Ausweitung des Haftungsrisikos für den Geschäftsführer
Für Geschäftsführer führt das jedoch zu einer erheblichen Ausweitung des persönlichen Haftungsrisikos. Denn die Einleitung des Restrukturierungsverfahren hat zur Folge, dass der Geschäftsführer die bis dahin für ihn geltende Haftungsprivilegierung weitgehend verliert. Der Grund dafür ist, dass der Geschäftsführer nach StaRUG ab diesem Zeitpunkt für die korrekte Umsetzung des Restrukturierungsplans persönlich verantwortlich wird. Er persönlich trägt die Verantwortung dafür, dass die Verhandlungen mit Gläubigern, Gesellschaftern und Arbeitnehmern entsprechend den Vorgaben des StaRUG ablaufen. Das Gesetz regelt dazu strenge persönliche Pflichten für die verantwortlichen Geschäftsführer.
- Verschärfter Haftungsmaßstab nach § 43 StaRUG
Nach § 43 StaRUG muss der Geschäftsführer ab Einleitung des Restrukturierungsverfahrens die Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers“ einhalten. Das bedeutet, dass er persönlich verpflichtet ist, auf eine Sanierung hinzuwirken, die den rechtlichen Anforderungen entspricht und insbesondere die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Ein normaler Geschäftsführer, der keine spezifische Sanierungserfahrung hat, dürfte damit schnell an die Grenzen seiner Fähigkeiten stoßen. Denn der gewöhnliche Geschäftsführer ist in aller Regel weder mit den besonderen Pflichten des StaRUG noch mit den im Anschluss daran lauernden insolvenzrechtlichen Pflichten vertraut.
- Keine Geltung der Business Judgement Rule ab Anzeige
Als Haftungsfalle für den Geschäftsführer erweist sich insbesondere, dass die sogenannte Business Judgement Rule ab der gerichtlichen Anzeige im Restrukturierungsverfahren für ihn nicht mehr gilt. Bis zu diesem Zeitpunkt bedeutet sie für den Geschäftsführer eine Haftungsprivilegierung, die ihm eine Verteidigungsmöglichkeit gegen Haftungsansprüche bietet. Die Business Judgement Rule greift ansonsten zu seinen Gunsten immer dann ein, wenn er bei unternehmerischen Entscheidungen annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die herrschende Rechtsprechung zum StaRUG geht jedoch davon aus, dass dieses Haftungsprivileg ab Beginn des Restrukturierungsverfahrens für Verstöße gegen dessen Vorgaben nicht mehr anwendbar ist. Das heißt ab der Restrukturierungsanzeige bei Gericht haftet der Geschäftsführer persönlich für jeden Verstoß gegen die strengen Vorgaben des StaRUG ohne Wenn und Aber.
- Zustimmung der Gesellschafter
Ein weiteres persönliches Haftungsrisiko für den Geschäftsführer liegt darin, dass die Frage, ob für die Einleitung eines gerichtlichen Restrukturierungsverfahrens ein vorheriger Gesellschafterbeschluss erforderlich ist, noch ungeklärt ist. Bislang gibt es dazu erst eine obergerichtliche Entscheidung (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.8.2024 – 20 U 30/24). Danach ist ein Gesellschafterbeschluss für die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn das Restrukturierungsverfahren die einzige erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren ist. Vorsichtshalber sollte der Geschäftsführer also nach jetzigem Stand eine Zustimmung seiner Gesellschafter vor Einleitung des Restrukturierungsverfahrens einholen, um nicht bereits deswegen in eine persönliche Haftung zu schlittern.
3. Fazit: Restrukturierungsverfahren als Mienenfeld für den Geschäftsführer
Das StaRUG kann zwar für Unternehmen in der Krise ein wertvolles Instrument zur Sanierung darstellen. Geschäftsführern ohne spezifische Erfahrungen bei der Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen kann man angesichts der dadurch entstehenden erheblichen persönlichen Haftungsrisiken nicht dazu raten, ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG einzuleiten.
Die Autoren Prof. Dr. Ulrich Tödtmann und Julius Pieper sind Mitglieder der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht. Für weitere Fragen zum Thema Restrukturierungsverfahren oder zum Gesellschaftsrecht im Allgemeinen steht Ihnen unsere Praxisgruppe Gesellschaftsrecht bei RITTERSHAUS gerne zur Verfügung.