Gewinnausschüttungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter müssen nicht zwangsläufig deren tatsächliche Anteile an der Gesellschaft abbilden. Vielmehr kommt es gerade bei Gesellschafter-Geschäftsführern häufig dazu, dass diesen aufgrund guter Leistungen eine Dividende zugesprochen wird, die höher als ihre prozentuale Beteiligungsquote ist. Man spricht dann von einer inkongruenten oder disquotalen Gewinnausschüttung. Neben der ohnehin für jede Dividendenausschüttung anfallenden Einkommensteuer, können die die tatsächliche Quote übersteigenden Anteile der Gewinnausschüttung von der Finanzverwaltung zugleich der Schenkungsteuer unterworfen werden.
Beispielsfall:
A und B sind Gesellschafter einer GmbH. A hält 80% der Geschäftsanteile an der Gesellschaft, B hält 20% der Geschäftsanteile. B ist zugleich Geschäftsführer der GmbH. In der Gesellschafterversammlung beschließen A und B, für das Geschäftsjahr 2018 eine Dividende in Höhe von EUR 1.000.000,00 auszuschütten. Nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung sollen aufgrund der hervorragenden Leistungen des B, die zu der hohen Gewinnausschüttung beigetragen haben, EUR 800.000,00 an B und lediglich EUR 200.000,00 an A ausgeschüttet werden. Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Öffnungsklausel, nach der bei Gewinnausschüttungen durch Beschluss der Gesellschafterversammlung von der tatsächlichen Beteiligung an der Gesellschaft abgewichen werden kann, aber sonst keine weiteren Regelungen.
Für die jeweilige Dividendenausschüttung an A und B fällt in jedem Fall Einkommensteuer an. Die Differenz von tatsächlicher Beteiligungsquote und der erfolgten Ausschüttung in Höhe von EUR 600.000,00 könnte jedoch zudem bei A schenkungsteuerpflichtig sein. Wurde früher in derartigen Fällen von Rechtsprechung und Finanzverwaltung noch eine Schenkung von der Gesellschaft selbst an A für möglich gehalten, liegt nach heutiger Dogmatik vielmehr eine Schenkung von A an B nahe. Diese ist nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass B für die ihm zugeflossene Dividende bereits in voller Höhe Einkommensteuer gezahlt hat. Denn trotz guter Argumente der Literatur und entsprechender Tendenzen in der Rechtsprechung herrscht nach wie vor kein Exklusivitätsverhältnis zwischen Einkommen- und Schenkungsteuer.
Die Finanzverwaltung sieht bei Fällen der disquotalen Gewinnausschüttung vielmehr regelmäßig eine schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung als gegeben an. So führt die Finanzverwaltung im gleich lautenden Erlass vom 20. April 2018 unter Tz. 2.6.4. aus:
„[…] in Fällen einer nicht leistungsbezogen bestimmten disquotalen Gewinnausschüttung [liegt] regelmäßig eine freigebige Zuwendung vor.“
Die Finanzverwaltung stellt also keine Kriterien auf, die die Schenkungsteuerbarkeit in derartigen Fällen ausschließen können.
Nach Ansicht der Literatur bedarf es für die Einordnung als freigebige Zuwendung einer Gesamtbeurteilung des gesellschaftlichen Leistungsverhältnisses einschließlich der Gewinnabrede. Dieses Leistungsverhältnis muss ausgewogen sein. Das bedeutet aber nicht, dass die Gesellschafter durch jeweils gleiche oder gleichartige Leistungen den Gemeinschaftszweck fördern müssen. Erforderlich ist nur, dass sowohl die Leistungspflichten der Gesellschafter als auch ihre Teilhabe am Erfolg der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag so geregelt sind, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter gewahrt ist.
Dies ist im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft von A und B gerade nicht der Fall; hier hätte es einer deutlich differenzierteren und ausführlicheren Regelung bedurft. Tragen die gesellschaftsvertraglichen Abreden dem hinreichend Rechnung und entspricht auch die tatsächliche Durchführung des Gesellschaftsvertrages den getroffenen Vereinbarungen, so kann eine gesellschaftliche Leistung, die diesen Rahmen wahrt, nach Ansicht der Literatur keine objektiv unentgeltliche Zuwendung sein.
Gesellschaften, die in der Vergangenheit Dividenden disquotal ausgeschüttet haben, sollten deren Steuerbarkeit prüfen und die Ausschüttung gegebenenfalls bei der Finanzverwaltung anzeigen, da hier eine Schenkungsteuerhinterziehung im Raum stehen kann. Auch sollten insbesondere gesellschaftsvertragliche Gewinnabreden den obenstehenden Kriterien angepasst werden, um in der Diskussion mit der Finanzverwaltung zumindest gute Argumente gegen eine freigebige Zuwendung zur Hand zu haben.
Bei allen Fragen zur Besteuerung disquotaler Gewinnausschüttungen stehen Ihnen Rechtsanwalt und Steuerberater Pawel Blusz LL.B., LL.M. und Rechtsanwalt Benjamin Rothmund gerne zur Verfügung.