Mit den Beschlüssen von Bundestag (5. März 2021) und Bundesrat (26. März 2021) ist die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts unter Dach und Fach. Die neuen Regelungen sollen vereinheitlichen und systematisieren und dabei das Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht an aktuelle Herausforderungen anpassen. Sie treten ab dem 1. Januar 2023 in Kraft.
Auch wenn es nicht zu den Hauptzielen der Reform zählte, die familiengerichtlichen Genehmigungsbedürfnisse bei Rechtsgeschäften für Mündel oder Betreute neu zu regeln, hat die Reform auch hier systematische wie inhaltliche Änderungen hervorgebracht.
Gegenstand etlicher oberlandesgerichtlicher Entscheidungen der letzten 15 Jahre war die Frage, ob der unentgeltliche Erwerb von Kommanditanteilen durch einen Minderjährigen an einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft (KG) der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) steht nach wie vor aus, sodass die Hoffnung bestand, der Gesetzgeber würde im Rahmen der Reform klärend eingreifen. Diese Hoffnung wurde leider nur zum Teil und leider ohne hinreichende Begründung erfüllt. Die Rechtslage mag so zwar etwas klarer geworden sein, der dogmatische Streit ist damit aber nicht beendet. Worum geht es konkret?
Drei Problemfelder bei der Übertragung von KG-Anteilen auf Minderjährige
Warum die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der Übertragung von Kommanditanteilen auf Minderjährige so kontrovers diskutiert und von den Gerichten unterschiedlich entschieden wird, hängt auch damit zusammen, dass diese Frage mit zwei weiteren (Vor-)Fragen in enger Verbindung steht. Diese sind erstens: Kann der Minderjährige bei der Übertragung selbst handeln und zweitens: Falls seine Eltern ihn vertreten müssen bzw. wollen, bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers? Die Hintergründe aller drei Fragen sollen nachfolgend erläutert, die Auswirkungen der Gesetzesreform darauf analysiert sowie der – noch immer – praxistauglichste Lösungsweg abschließend skizziert werden.
Eigenständiges Handeln des Minderjährigen
Minderjährige, die das 7. Lebensjahr vollendet, das 18. Lebensjahr aber noch nicht erreicht haben, sind gemäß § 106 BGB in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt. Dies bedeutet, dass sie selbstständig nur solche Rechtgeschäfte abschließen können, die ihnen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen (§ 107 BGB).
Das Gesetz wählt hier ganz bewusst den Begriff des rechtlichen Vorteils, da dieser nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfacher zu identifizieren ist als ein wirtschaftlicher. Eine im Einzelfall umfassende, von der Bewertung und Verrechnung von Leistungen(en) und Gegenleistung(en) abhängige Ermittlung eines wirtschaftlichen Vorteils ist aufwändig und nicht immer eindeutig zu beantworten. Der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige kann daher nur solche Geschäfte abschließen, die ihn nicht unmittelbar rechtlich zu etwas verpflichten, mögen sie wirtschaftlich auch noch so vorteilhaft sein.
Beim Eintritt in eine Kommanditgesellschaft, das heißt beim Erwerb von Anteilen an einer bereits existenten Gesellschaft, sehen Gesetz, Gesellschafts- und Übertragungsvertrag regelmäßig Pflichten für den erwerbenden Neugesellschafter vor.
Um den Abschluss derartiger Geschäfte durch den Minderjährigen selbst zu ermöglichen, werden Kommanditanteile auf Minderjährige in aller Regel schenkweise, ohne die Pflicht zur Leistung einer Einlage übertragen. Der Eintritt des minderjährigen Gesellschafters in die Gesellschaft wird außerdem, um eine unbeschränkt persönliche Haftung gemäß § 176 Abs. 2 HGB zu vermeiden, aufschiebend auf die Eintragung in das Handelsregister bedingt. Ohne weitere (rechtliche) Pflichten für den Minderjährigen in Gesellschafts- und Übertragungsvertrag, lässt sich so ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft für den Minderjährigen gestalten, das dieser – sofern er das 7. Lebensjahr vollendet hat – selbst vornehmen kann.
Lediglich rechtlicher Vorteil ist Frage des Einzelfalls.
Ob ein Geschäft lediglich rechtliche Vorteile für den Minderjährigen mit sich bringt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Es gibt hier keinen vom Gesetzgeber vorgegebenen Positiv– oder Negativkatalog lediglich rechtlich vorteilhafter oder nachteiliger Geschäfte. Es kommt also stets auf die exakte Ausgestaltung des Vertrages an, den der Minderjährige eingeht.
Vertretung durch die Eltern oder einen Ergänzungspfleger
Kann der Minderjährige das Geschäft aber nicht selbst vornehmen, beispielsweise, weil Übertragungs- oder Gesellschaftsvertrag doch rechtliche Pflichten für den Minderjährigen begründen oder weil der Minderjährige das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, muss er durch seine Eltern vertreten werden.
Die Beteiligung Minderjähriger an vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaften hat häufig den Hintergrund, Vermögen steueroptimiert in die nächste Generation zu übertragen. Deshalb sind in den meisten Fällen auch die Eltern an der betroffenen Gesellschaft beteiligt. Der Minderjährige erhält seinen Anteil den Eltern. In derartigen Fällen stünden die Eltern auf beiden Seiten des Geschäfts: Einmal in ihrer Funktion als übertragender Gesellschafter und einmal in der Funktion als Vertreter des Minderjährigen. Hier sieht das Gesetz einen Ausschluss der Vertretung durch die Eltern vor (§ 181 BGB), sodass ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.
Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das abzuschließende Geschäft (die schenkweise Anteilsübertragung) lediglich rechtlich vorteilhaft für den Minderjährigen ist. Dies richtet sich wieder nach den Umständen im Einzelfall (s.o.).
Familiengerichtliche Genehmigung
Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob zu einem Geschäft eine familiengerichtliche Genehmigung eingeholt werden muss. Familiengerichtliche Genehmigungen müssen nur von Eltern oder anderen gesetzlichen Vertretern eines Minderjährigen (Ergänzungspfleger, Vormund) eingeholt werden, wenn ein bestimmtes, im Gesetz in einem der Katalogtatbestände (§§ 1821, 1822 BGB) genanntes Geschäft abgeschlossen werden soll. Der Minderjährige soll dabei davor geschützt werden, dass seine gesetzlichen Vertreter ihn zu Geschäften mit weitreichenden wirtschaftlichen oder zeitlichen Folgen verpflichten.
Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit stellt sich aber eben nur dann, wenn der Minderjährige vertreten wird. Das kann nach den oben genannten Voraussetzungen dann der Fall sein, wenn
a) der Minderjährige das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
b) das Geschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist,
c) unabhängig davon die Eltern eine Vertretung des Minderjährigen bevorzugen.
In § 1822 Nr. 3 BGB ist vorgesehen, dass das Eingehen eines Gesellschaftsvertrages zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.
Unter dem Eingehen eines Gesellschaftsvertrages ist nicht nur der (erstmalige) Abschluss eines Gesellschaftsvertrages im Wege der Gesellschaftsgründung zu verstehen, sondern auch das Eingehen der gesellschaftsvertraglichen Bindung im Wege des Eintritts in eine bereits bestehende Gesellschaft. Der Minderjährige, der einen Kommanditanteil schenkweise übertragen erhält, bindet sich damit an den bereits bestehenden Gesellschaftsvertrag und geht damit ein solchen ein.
Knackpunkt für die Frage, ob der Eintritt des Minderjährigen in die Gesellschaft der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Tatbestandsmerkmal des Betriebs eines Erwerbsgeschäfts. Nur wenn die Gesellschaft, in die der Minderjährige eintritt, ein Erwerbgeschäft betreibt, ist der Beitritt des Minderjährigen genehmigungspflichtig.
Ein Erwerbsgeschäft ist jede regelmäßig ausgeübte, auf einen selbstständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt und auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Für ein Erwerbsgeschäft ist eine geschäftsmäßige, gleichsam berufliche Tätigkeit Voraussetzung. Nicht ankommen sollte es – anders als manche Gerichte es sehen – auf den Umfang des von der Gesellschaft gehaltenen Vermögens oder die Dauer der Gesellschaft.
Da, wie oben bereits aufgezeigt, der Zweck der Beteiligung von Minderjährigen an Kommanditgesellschaften meist die Beteiligungen der Minderjährigen am (Familien-)Vermögen ist, stellt sich hier die alles entscheidende Frage der Zusammensetzung des von der Gesellschaft gehaltenen Vermögens.
Unproblematisch sind Fälle, in denen die Gesellschaft allein das oder die zu Wohnzwecken der Familie genutzte(n) Immobilie(n) hält und verwaltet. Auch das Halten von Wertpapieren oder Fondsbeteiligungen dürfte unproblematisch sein. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich vor dem Hintergrund bereits ergangener obergerichtlicher Entscheidungen insbesondere bei Beteiligungsgesellschaften, die Anteile an operativen Unternehmen halten oder auch Immobiliengesellschaften mit großen, fremd vermieteten Immobilienbeständen.
Was bringt das reformierte Vormundschafts- und Betreuungsrecht?
Wie bereits anfangs erwähnt, wurden im Zuge der Vormundschafts- und Betreuungsrechtsreform auch die Genehmigungstatbestände verändert und neu angeordnet. Diese Änderungen dürften jedoch eher als wenig beachtetes Beiwerk der Reform interpretiert werden. Der heutige § 1822 Nr. 3 BGB wird sich im neuen Recht ab dem 1. Januar 2023 unter § 1852 Nr. 1 und 2 BGB finden.
Der Reformgesetzgeber hat in § 1852 Nr. 1 BGB explizit auch den (schenkweisen) Erwerb von Personen– oder Kapitalgesellschaftsanteilen einer Genehmigungspflicht unterstellt, vorausgesetzt die Gesellschaft betreibt ein Erwerbsgeschäft. Damit wird zwar einem ebenfalls in Literatur und Rechtsprechung ausgefochtenen Streit darüber, ob der Anteilserwerb an einer bestehenden Gesellschaft (im Gegenzug zur Gründung) der Genehmigungspflicht unterfällt. Die viel entscheidendere Frage nach der Abgrenzung von Erwerbsgeschäft und Vermögensverwaltung bleibt jedoch auch nach der Reform vom Gesetz unbeantwortet.
Der Ruf nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs und der Vorgabe von zuverlässigen Abgrenzungskriterien bleibt somit erhoben. Eine klärende Entscheidung ist in Anbetracht der Vielzahl an unterschiedlichen obergerichtlicher Entscheidungen mehr als dringend nötig.
Vorgehen in der Praxis
Bis dahin sind die Rechtsanwender daher gut beraten, Vorsicht walten zu lassen und den sichersten Weg einzuschlagen. Dies bedeutet, bei nur geringsten Zweifeln an der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit des Geschäfts, einen Ergänzungspfleger zu bestellen und dazu noch die Genehmigung des Familiengerichts einzuholen. Es ist sogar dazu zu raten, ein genehmigungsbedürftiges Geschäft zu konstruieren, um eine Genehmigung des Familiengerichts zu erzwingen. Nur so kann der Situation vorgebeugt werden, dass das Registergericht bei der Eintragung den Standpunkt vertritt, das Geschäft sei genehmigungsbedürftig, obwohl das Familiengericht zuvor auf Anfrage eine Genehmigungsbedürftigkeit verneint hat (Negativattest). Die Entscheidung des Familiengerichts hat nämlich für das Registergericht keine Tatbestandswirkung. Um zeitliche Verschübe zu verhindern, ist deshalb eine familiengerichtliche Genehmigung das Mittel der Wahl.
Für alle Fragen zum Thema oder zur Unternehmens- und Vermögensnachfolge steht Ihnen Rechtsanwalt Michael Nellen (michael.nellen@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.