Die Temperaturen steigen, die Inzidenzen sinken. Man spürt, es wird Sommer. Und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist in Lockerungsstimmung: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ist am 25. Mai 2022 ausgelaufen und wird (vorerst) nicht verlängert. Verbindliche Vorgaben zum Infektionsschutz bestehen nur noch vereinzelt, etwa im Bereich medizinischer Versorgung, Pflege und Betreuung oder lokal aufgrund sogenannter Hotspot-Regelungen. Die vergangenen zwei Jahre haben allerdings gezeigt, dass sich das Virus um Jahreszeiten ebenso wenig kümmert wie etwa um Sperrstunden. Kurz gesagt: Plötzliche flächendeckende Infektionsausbrüche sind weiterhin möglich. Was bedeutet das nun für die Corona-Regeln in Unternehmen? Wie sieht in dieser Phase der sommerlichen Entspannung ein geeigneter betrieblicher Infektionsschutz aus?
Keine verbindliche Verordnung, aber nicht minder hilfreich als Orientierung sind folgende aktuelle praktische Empfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Festlegung von Maßnahmen des Infektionsschutzes durch Arbeitgeber
- Betriebliche Gefährdungsbeurteilung als Grundlage für Schutzmaßnahmen
- Bei Umsetzung von Maßnahmen Mitbestimmungsrechte des Betriebs-/Personalrats beachten
- Nicht mehr zulässig: Verlangen von 3G-Nachweis für Zugang zur Arbeitsstätte
- Keine Pflicht für Arbeitgeber, Homeoffice oder Corona-Tests anzubieten
- Keine Pflicht für Beschäftigte, vorhandenes Homeoffice- oder Testangebot wahrzunehmen
- Anordnung Maskenpflicht möglich, wenn nach Gefährdungsbeurteilung erforderlich -> dann muss Arbeitgeber Masken auf seine Kosten bereitstellen
- Per Hausrecht Vorgaben für Kunden, Geschäftspartner und Besucher zulässig (z.B. Maskenpflicht)
- Grundsätzlich unzulässig: Erhebung des Impf- bzw. Genesungsstatus der Beschäftigten -> vorhandene Daten sind zu löschen
Vorgehen bei Infektionsverdacht von Beschäftigten
- Bei Symptomen testen lassen -> bei positivem Testergebnis Isolationspflicht (ggf. PCR-Nachtest empfehlenswert)
- Keine Isolationspflicht mehr für Kontaktpersonen -> je nach Einzelfall prüfen, ob z.B. Homeoffice, bezahlte Freistellung oder Weiterarbeit im Betrieb vertretbar
Empfehlungen zur Verhinderung und Begrenzung betrieblicher Infektionen
- AHA+L-Regel -> (Mindest-)Abstand/Abtrennungen, (Hand-)Hygiene und Hust-/Niesetikette, Bereitstellung und Benutzung von Atemschutzmasken, Lüften
- Zugangsbeschränkungen für Kunden/Gäste
- Einteilung Belegschaft in kleine Teams
- Reduzierung Personenzahl in gleichzeitig genutzten Innenräumen
- Telefon-/Videokonferenzen als Ersatz für Präsenzbesprechungen
- Ermöglichung von Homeoffice und betriebliche Testangebote
- Impfanreize schaffen (z.B. durch betriebliche Impfaktionen während Arbeitszeit)
Hinweise zur Arbeit im Homeoffice
- Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetz auch im Homeoffice anwendbar
- Gefährdungsbeurteilung auch für Arbeitsplatz im Homeoffice -> auf dieser Grundlage Festlegung der notwendigen Ausstattung
- Arbeitgeber muss Beschäftigten nicht alle erforderlichen Arbeitsmittel stellen
- Sofern Beschäftigte eigene Arbeitsmittel verwenden: konkrete Regelung in Homeoffice-Vereinbarung empfehlenswert
- Risiko: Verletzung Datenschutz- und Geheimhaltungspflichten -> Einführung geeigneter und zulässiger Überwachungsmaßnahmen durch Arbeitgeber
Und wie macht es die Praxis?
Wie ein zulässiges betriebliches Hygienekonzept in dieser Zeit von „Corona nach Corona“ aussehen kann, zeigt ein aktuelles Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01. Juni 2022 (Az.: 5 AZR 28/22). Darin segneten Deutschlands höchste Arbeitsrichter eine regelmäßige und arbeitgeberfinanzierte PCR-Testpflicht für Beschäftigte der bayerischen Staatsoper ab. Zu einer solchen einseitigen Anordnung sei der Arbeitgeber angesichts seiner Fürsorgepflicht berechtigt. Letztere umfasse auch den Schutz von Leben und Gesundheit seiner Angestellten. Verweigerten die Beschäftigten die Tests – wie die klagende Flötistin –, könnten diese vom Musizieren und damit auch von den Gehaltszahlungen ausgeschlossen werden, so das Bundesarbeitsgericht.
Das Urteil dürfte seine volle Wirkung vor allem dann entfalten, wenn im Falle einer weiteren Corona-Welle die Infektionszahlen sprunghaft ansteigen sollten. Um dies zu verhindern, können Arbeitgeber auf die oben beschriebenen Empfehlungen für einen wirksamen betrieblichen Infektionsschutz zurückgreifen.Für weitere Fragen zum Thema oder zum Arbeitsrecht im Allgemeinen stehen Ihnen unsere Arbeitsrechtler der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei RITTERSHAUS gerne zur Verfügung.