Mit seinem viel beachteten Beschluss vom 24. März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht Teile des Bundes-Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig erklärt. In der Entscheidungsbegründung spielt insbesondere die – neue – Konstruktion eines „intertemporalen Freiheitsschutzes“ eine zentrale Rolle: Zur Abmilderung unverhältnismäßiger Freiheitsbeschränkungen in der Zukunft sind „über Zeit und Generationen hinweg“ erhebliche staatliche Restriktionen bereits in der Gegenwart gerechtfertigt.
Während der Fokus der Klimaschutzdiskussion bislang auf CO2-intensiven Branchen und Betrieben lag, hat das Bundesverfassungsgericht diese Perspektive nunmehr deutlich verschoben: „In allen Lebensbereichen – etwa Produktion, Dienstleistung, Infrastruktur, Verwaltung, Kultur und Konsum, letztlich bezüglich aller heute noch CO2-relevanten Vorgänge – müssen Entwicklungen einsetzen, die ermöglichen, dass von grundrechtlicher Freiheit auch später noch (…) Gebrauch gemacht werden kann.“ Gefordert wird hierzu ein hinreichender und frühzeitiger „Entwicklungsdruck“, der zu einer gesamtgesellschaftlichen „soziotechnischen Transformation“ führen soll. Des Weiteren bemüht das Bundesverfassungsgericht unterschiedlichste Beispiele, um die Bandbreite der nötigen und rasch zu vollziehenden Veränderungen zu verdeutlichen: Von CO2-relevanter Mobilität über die Berufs- und Arbeitsplatzwahl oder die Gestaltung von Arbeits- und Geschäftsabläufen bis hin zur mittelbaren Treibhausgasrelevanz von Konsumartikeln.
Ungeachtet mancher Kritik an der Begründung verpflichtet der Beschluss nicht nur, sondern eröffnet Bund und Ländern mannigfache Möglichkeiten, klimarelevante Handlungen in allen Lebensbereichen deutlich strikter zu regulieren. Ebenso können staatliche Maßnahmen in gänzlich anderen Bereichen unter Hinweis auf eine behauptete Klimarelevanz argumentativ „aufgewertet“ werden.
CO2-Reduktion in der gesamten Wertschöpfungskette
Aus der Sicht von Unternehmen und Verbänden, aber auch von Kommunen und Individuen ergeben sich aus dem Beschluss wichtige Konsequenzen. So sollte der eigene Wirkungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg auf unmittelbare und mittelbare CO2-Relevanz hin untersucht und hierbei vorhandenes Optimierungspotenzial möglichst rasch und umfassend genutzt werden. Je nach Branche ist anzuraten, etwaige Gesetzgebungsvorhaben in spezifischen Bereichen proaktiv zu begleiten, damit die eigenen Prozesse möglichst frühzeitig entsprechend ausgerichtet werden können. Handlungsbedarf ist auch in Bezug auf compliance-gerechtes Verhalten zu konstatieren. Zahlreiche Chancen ergeben sich schließlich mit Blick auf Investitionsvorhaben und nachhaltige Entwicklung der eigenen Strukturen. Praktizierter Klimaschutz ist inzwischen mehr als gutes Marketing.
Gerne erläutern wir Ihnen die Rahmenbedingungen und zeigen rechtliche sowie taktische Möglichkeiten für Ihre Entscheidungen auf.
Ihr RITTERSHAUS Sustainability-Team:
Dr. Hartmut Fischer (Öffentliches Recht)
Prof. Dr. Dr. Tade Matthias Spranger (Öffentliches Recht / Life Sciences)
Dr. Moritz Weber (Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht/Life Sciences)
Dr. Christina Eschenfelder (Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht)
Jens Magers (Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht)