Am 2. Dezember 2020 ist das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft getreten. Es hat zum Ziel, missbräuchliche Abmahnungen im Lauterkeitsrecht zu verhindern. Diesem Ziel dienen im Kern folgende Maßnahmen:
- Erhöhung der Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung von Wettbewerbern und Wirtschaftsverbänden
- Absenkung finanzieller Anreize für Abmahnungen; so ist der Aufwendungsersatz bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet ausgeschlossen bzw. bei (sonstigen) Verstößen gegen die DSGVO von der Mitarbeiterzahl des Verstoßenden abhängig
- Vereinfachung der Geltendmachung von Gegenansprüchen des Abgemahnten im Falle unberechtigter oder nicht den formalen Anforderungen genügender Abmahnung oder bei missbräuchlicher Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen
- Begrenzung der Möglichkeit, im sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ Unterlassungsansprüche gegen Abgemahnte durchzusetzen.
Entscheiden sich Unternehmen, ihre Wettbewerber abzumahnen, müssen sie formale Anforderungen beachten. So muss die Abmahnung klar und verständlich geschrieben sein. Auch muss (ab 1.12.2021) dargelegt werden, dass das Unternehmen tatsächlich und in nicht unerheblichem Maße Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt, wobei hierfür Größenkategorien wie die Zahl der Verkäufe genügen. Außerdem muss das beanstandete Verhalten konkret bezeichnet werden; dem Abgemahnten muss also klarwerden können, was genau ihm der Wettbewerber zum Vorwurf macht und was er zur Vermeidung eines Rechtsstreits zu tun hat.
Abmahnungen waren bislang für Unternehmen auch deshalb interessant, weil sie in aller Regel die Erstattung ihrer Abmahnkosten verlangen konnten. Hier sind die Anforderungen nun deutlich höher gehängt. So muss das Unternehmen zunächst die formalen Anforderungen, wie oben beschrieben, erfüllen. Außerdem kann Kostenersatz nur dann verlangt werden, wenn die Abmahnung berechtigt ist, was schon bisher galt. Ausgeschlossen sind hingegen Aufwendungsersatzansprüche, wenn gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten (die klassischer Weise im Online-Handel stattfinden) verstoßen wird (Informationspflichten nach § 5 Telemediengesetz, nach DSGVO, in Fernabsatzverträgen oder gegen die Pflicht zur Widerrufsbelehrung nach der Preisangabenverordnung). Gleiches gilt bei sonstigen Verstößen gegen die DSGVO, bei denen der Ausschluss allerdings an die Größe des Unternehmens des Abgemahnten geknüpft ist (in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter).
Auch sollten sich abmahnende Unternehmen bewusst sein, dass sie einer Haftung für unberechtigte oder nicht den formalen Anforderungen entsprechende Abmahnungen unterliegen. Die Nachreichung der für eine formal korrekte Abmahnung erforderlichen Informationen wird nur in Ausnahmefällen erlaubt werden, nämlich dann, wenn dem Abgemahnten noch keine Aufwendungen für die Rechtsberatung entstanden sind. Ebenso entfällt eine Haftung, wenn das abmahnende Unternehmen im Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennen konnte, dass sich der Abgemahnte bereits Dritten unterworfen hat oder sonst ungewöhnliche Umstände aus der Sphäre des Abgemahnten zu beachten sind.
Bei der Bestimmung einer Vertragsstrafe ist für das abmahnende Unternehmen ebenso Vorsicht geboten. Klar anzuraten ist dem Unternehmen, mit dem sogenannten (neuen) Hamburger Brauch zu agieren, sich also eine Vertragsstrafe nur „in angemessener Höhe“ versprechen zu lassen und nicht einen konkreten Betrag zu benennen. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs sieht nunmehr vor, dass es in Fällen, in denen das abmahnende Unternehmen eine unangemessene Vertragsstrafe fordert, sich diese auf eine angemessene absenkt, ohne dass es eines gerichtlichen Urteils bedarf. Vom Anfordern einer konkreten Vertragsstrafe ist abzuraten, da im Falle einer erheblich überhöhten Vertragsstrafe das Gesetz nunmehr einen Missbrauch vermutet. Ein solcher führt dazu, dass das abmahnende Unternehmen seinen Unterlassungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann.
Zudem ist bei einer erstmaligen Abmahnung wegen der Verletzung von Informations- oder Kennzeichnungspflichten im Internet sowie bei Datenschutzverstößen die Vereinbarung einer Vertragsstrafe unzulässig, sofern der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Bei solchen Betrieben beschränkt sich im Übrigen in den vorgenannten Fällen die Vertragsstrafe auf EUR 1.000,00.
Die Gerichte am häufigsten beschäftigt hat bislang die Frage, wo das Unternehmen seine Ansprüche gegen den Abgemahnten, der sich nicht vertragstrafebewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat, gerichtlich weiterverfolgen kann. Konkret geht es um die Frage, ob und inwieweit der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“ bestehen geblieben ist, der es dem Unternehmen ermöglicht, seine Ansprüche nicht am Geschäftssitz des Abgemahnten weiterverfolgen zu müssen, sondern diesen auch dort zu verklagen, wo er die beanstandete Handlung begangen hat. Gerade bei den sehr häufigen Verstößen im Internet war somit ein Gerichtsstand an sehr vielen erstinstanzlichen Gerichten in Deutschland gegeben.
Vor dem Hintergrund der häufigen Fälle missbräuchlicher Abmahnungen aus reinen Gebühreninteressen im Internet wurde schon 2013 die Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“ gefordert und mit dem am 2. Dezember 2020 verabschiedeten Gesetz dessen Anwendungsbereich deutlich eingeschränkt. Neben dem Gerichtsstand am Sitz des Abgemahnten verbleibt es im Grundsatz dabei, dass auch das Gericht am Ort des Verstoßes angerufen werden kann. Letzteres gilt jedoch nicht bei Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien, also bei den häufigen Verstößen im Internet, insbesondere im Onlinehandel. Für Verstöße außerhalb des Internets gilt nach wie vor der fliegende Gerichtsstand.
Noch keine einheitliche Linie hat sich bei den deutschen Gerichten herausgebildet, ob die beschriebene Einschränkung des Tatortgerichtsstands für sämtliche Verstöße im Internet gilt oder nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten, einschließlich der Verstöße gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten. Dies wird weiter zu beobachten sein. Die endgültige Entscheidung ist für abmahnende und abgemahnte Unternehmen von erheblicher Bedeutung. Denn je weiter der Anwendungsbereich des fliegenden Gerichtsstands gezogen wird, desto größer ist die Möglichkeit, die an einigen Gerichtsstandorten herausgebildeten spezialisierten Kammern anzurufen, die mit wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere der Handhabung einstweiliger Verfügungsanträge vertraut sind. Diese Spezialisierungen haben in den letzten Jahrzehnten maßgeblich zur Rechtssicherheit in diesem Bereich beigetragen. Sie sollten auch weiterhin Abmahnenden und Abgemahnten zur Verfügung stehen.
Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte jederzeit an Rechtsanwalt Dr. Wolf-Henrik Friedrich unter wolf-henrik.friedrich@rittershaus.net.