Früher oder später setzt sich jeder Mensch mit dem eigenen Tod auseinander, sei es aufgrund zunehmenden Alters oder wegen eines prägenden Erlebnisses. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang eine Patientenverfügung erstellt, um für den Ernstfall vorzusorgen. Der Beweggrund dahinter ist oft die Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung, auch in Situationen, in denen das Treffen eigener Entscheidungen nicht mehr möglich ist.
Diese Gedanken machte sich wohl auch der 70-jährige Mann, welcher sich in großen Buchstaben die Worte „Do Not Resuscitate“ („Nicht Wiederbeleben“) und seine eigene Unterschrift auf die Brust tätowieren ließ. Im Jahr 2017 wurde eben dieser Mann bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert. Aufgrund seines Gesundheitszustandes war den Ärzten klar, dass sie bald Maßnahmen ergreifen müssten, um das Leben des Patienten zu retten. Jedoch stellte sich den Ärzten die Frage: Kann das Tattoo eine Patientenverfügung sein, welche bei der Behandlung berücksichtigt werden muss?
Die Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung
Das deutsche Recht hält für die Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung eine Legaldefinition bereit: „Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), […].“ Doch was bedeuten die einzelnen Voraussetzungen und wann sind diese erfüllt?
Der Patient muss zum Zeitpunkt der Errichtung in einem Zustand gewesen sein, in dem er sich über die Risiken, die Tragweite, die Art und die Bedeutung der Verfügung bewusst war und seinen Willen auch danach ausrichten konnte.
Da es sich bei der Patientenverfügung um eine höchstpersönliche Verfügung handelt, bedarf es auch einer persönlichen Errichtung. Dabei muss die Schriftform eingehalten werden, was eine eigenhändige Unterschrift des Verfügenden notwendig macht.
Die Patientenverfügung muss außerdem bestimmt genug sein. Dafür muss sie sowohl eine Situationsbeschreibung als auch eine Handlungsanweisung enthalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die ärztlichen Maßnahmen auch dem wirklichen Willen des Patienten entsprechen. Es bedarf also einer ganz konkreten Entscheidung, welche Maßnahmen in welcher Situation unternommen oder unterlassen werden dürfen. An diesem Punkt steht es dem Patienten nahezu völlig frei, etwaige Bestimmungen zu treffen, solange diese nur konkret genug sind.
Zuletzt darf die Untersuchung, die Heilbehandlung oder der ärztliche Eingriff nicht zeitliche absehbar sein.
Eine Patientenverfügung ist dabei jederzeit frei widerruflich ist, sei es beispielsweise durch das einfache Zerreißen des Schriftstücks oder durch mündliche Kundgabe.
Anwendung auf den Beispielsfall
Obwohl der beschriebene Fall zunächst eindeutig erscheinen mag und man annehmen könnte, das Tattoo sei Ausdruck des tatsächlichen Willens des Patienten und somit bindend, ergeben sich im Hinblick auf die o. g. Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung einige Probleme.
Zunächst ist fraglich, ob die erforderliche Schriftform eingehalten wurde. Das wäre denkbar, wenn der Verfügende zumindest die Unterschrift eigenhändig tätowiert hat. In der Theorie mag das nicht ausgeschlossen sein, in der Praxis erscheint dies allerdings nahezu unmöglich.
Auch das Erfordernis der Bestimmtheit ist durch die Worte „Nicht Wiederbeleben“ nicht erfüllt. Es fehlt an einer konkreten Situationsbeschreibung. Generell erscheint es schwierig durch ein Tattoo das Bestimmtheitserfordernis zu erfüllen, gerade im Hinblick auf den begrenzten Platz und den erheblichen Umfang, welche die Handlungs- und Situationsbeschreibungen haben können.
Nicht zu vergessen ist die geringe Praktikabilität des Widerrufs. Zwar kann das Tattoo entfernt werden oder vom Tätowierer durchgestrichen werden, diese Möglichkeiten kosten jedoch Zeit und Geld, sodass davon wohl nur selten Gebrauch gemacht wird. Es kann also nicht sicher festgestellt werden, ob das Tattoo den tatsächlichen Willen des Patienten bekundet oder ob in der Zwischenzeit womöglich eine Meinungsänderung eingetreten ist und das Tattoo nur noch aus Gründen der Bequemlichkeit vorhanden ist.
Im Ergebnis ist das Tattoo des Patienten wohl nicht als wirksame Patientenverfügung zu werten. Für Unklarheit und Ratlosigkeit bei den Ärzten hat es aber in jedem Fall gesorgt.
Fazit
Der Beispielsfall veranschaulicht, welche Probleme sich bei der Errichtung einer Patientenverfügung ergeben können und welche Folgen eine unbestimmte oder unwirksam errichtete Patientenverfügung haben kann. Für den Patienten bedeutet die Unwirksamkeit möglicherweise die Nichtbeachtung seines wirklichen Willens. Bei den behandelnden Ärzten sorgt sie für Verwirrung, Unklarheit und Sorge vor einer möglichen Strafverfolgung.
Die Errichtung einer Patientenverfügung ist eine komplexe Angelegenheit, welche gerade im Hinblick auf die Bestimmtheit einer intensiven Auseinandersetzung mit den verschiedenen Optionen bedarf. Auch von einer Verwendung etwaiger frei zugänglicher Vordrucke sollte abgesehen werden. Da es sich um eine individuelle Verfügung handelt, können die persönlichen Bedürfnisse kaum in einer vorgefertigten Patientenverfügung Berücksichtigung finden. Vielmehr sollte bei der Errichtung einer Patientenverfügung eine individuelle Beratung in Anspruch genommen werden. So kann sichergestellt werden, dass alle Wünsche und Bedürfnisse umfassend in die Verfügung einbezogen werden und der tatsächliche Wille des Patienten im Ernstfall auch beachtet wird.
Zu den Autoren:
Frau Johanna Rengel ist zur Zeit Rechtsreferendarin in unserem Frankfurter Büro. Rechtsanwalt Dr. Benjamin Rothmund steht Ihnen für Ihre Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.