Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. September 2021 (II R 40/19) liegt keine freigebige Zuwendung vor, wenn zukünftige Eheleute für den Fall der Beendigung ihrer Ehe Zahlungen eines Ehepartners vorsehen, die erst zum Zeitpunkt der Scheidung zu leisten sind.
1. Hintergrund und Problemstellung
Zu Beginn der Ehe sind meist weder Zeitpunkt noch Höhe von späteren Zugewinnausgleichsansprüchen absehbar. Gleichwohl wollen die Ehegatten die künftigen Scheidungsfolgen regeln, um Risiken besser steuern zu können. Häufig wird durch Ehevertrag auf einen Zugewinnausgleich verzichtet, um komplexe Bewertungen von Immobilien oder Unternehmen und hohe Ausgleichszahlungen bei einer Scheidung zu vermeiden. Stattdessen soll eine als fair empfundene Abfindung vereinbart werden.
Die Vereinbarung von Leistungen für den Ausschluss des Zugewinnausgleichs war bislang schenkungsteuerlich problematisch. Da die Zugewinnausgleichsforderung erst zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes entsteht, besteht im Zeitpunkt der Eheschließung nur eine vage Erwerbsaussicht. Deshalb führt eine Sofortabfindung, die vor der Hochzeit für einen vorehelichen Verzicht auf einen ggf. entstehenden Zugewinnausgleichanspruch gezahlt wird, zu einer freigebigen Zuwendung.
Davon zu unterscheiden ist die Vereinbarung von Leistungen für den Fall der Beendigung der Ehe. Regeln die Eheleute die Scheidungsfolgen umfassend und wird hierfür eine Abfindungs-/Kompensationszahlung festgelegt, die erst im Zeitpunkt der späteren Ehescheidung zu leisten ist (sog. Bedarfsabfindung), bestand seit einigen Jahren eine Unsicherheit hinsichtlich der schenkungsteuerlichen Würdigung:
Denn nach Ansicht des Finanzgerichts München (vom 2.5.2018, 4 K 3181/16) führte eine sog. Bedarfsabfindung zu einer freigebigen Zuwendung an den verzichtenden Ehegatten. Solche Abfindungszahlungen sollten der Schenkungsteuer unterfallen und waren nach rechtskräftiger Scheidung nach der ungünstigen Steuerklasse II zu versteuern, wohingegen ein Zugewinnausgleich gänzlich schenkungsteuerfrei gewesen wäre. Zur Abmilderung dieser Steuerrisiken ging man in der Beratungspraxis in der Folge dazu über, Zugewinnausgleichsansprüche beizubehalten, jedoch der Höhe nach festzuschreiben oder zu deckeln, sowie Zahlungen auf einen Zeitpunkt vor der Rechtskraft der Scheidung zu vereinbaren.
Der Bundesfinanzhof ist der Auffassung des Finanzgerichts München entgegengetreten.
2. Die Entscheidung des BFH vom 1.9.2021 (II R 40/19)
Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Anlässlich ihrer bevorstehenden Eheschließung schlossen die Eheleute einen notariell beurkundeten Ehevertrag. In diesem wurden die Rechtsfolgen der Eheschließung umfassend geregelt, indem Gütertrennung vereinbart, der gesetzliche Versorgungsausgleich ausgeschlossen und der nacheheliche Unterhalt begrenzt wurde. Ferner wurde der Ehefrau für den Fall der Scheidung ein indexierter Zahlungsanspruch i.H.v. 2 Mio. DM eingeräumt, wenn die Ehe 15 volle Jahre bestanden hat. Aufgrund der Scheidung der Ehe nach 16 Jahren erhielt die Ehefrau den vereinbarten (in Euro umgerechneten) Betrag.
Der Bundesfinanzhof sah darin kein Geschenk. Er führte aus, dass eine freigebige Zuwendung das Bewusstsein des Zuwendenden voraussetze, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne Zusammenhang mit einer Gegenleistung zu erbringen. Der „Wille zur Unentgeltlichkeit“ und damit der subjektive Tatbestand einer freigebigen Zuwendung könne daher nicht erfüllt sein, wenn der Zuwendende seine Leistung als entgeltlich ansehe. Anhand dieser Grundsätze grenzte der Bundesfinanzhof die sog. „Pauschalabfindung“ von der sog. „Bedarfsabfindung“ ab:
- Bei der sog. „Pauschalabfindung“ werden vor Eingehung der Ehe Zahlungen geleistet, obwohl die Entstehung von Ansprüchen noch nicht feststeht. Da mit der Zahlung kein Anspruch des anderen Ehegatten befriedigt wird, erfüllt diese Zahlung den Tatbestand der freigebigen Zuwendung.
- Bei der sog. „Bedarfsabfindung“ regeln die Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Scheidung dagegen individuell, indem sie gesetzliche Ansprüche modifizieren und die Scheidungsfolgen in einem Gesamtpaket neu austarieren. Die Zahlung der Abfindung ist an die Beendigung der Ehe geknüpft und sei – so der BFH – in ein Vertragskonvolut über die Rechtsfolgen einer Eheschließung eingebettet, was eine isolierte Betrachtung der Abfindung verbiete. Die Abfindung werde in Erfüllung einer konkreten Vereinbarung und nicht in dem Bewusstsein einer (objektiven) Unentgeltlichkeit gezahlt. Damit scheide eine freigebige Zuwendung aus.
3. Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des BFH ist sehr zu begrüßen, sie schafft Rechtssicherheit und leistet einen großen Beitrag zur freien und individuellen Gestaltung von Eheverträgen durch Ehegatten. Die Ehegatten können für den Fall der Scheidung interessengerechte Regelungen treffen, insbesondere auch Zugewinnausgleichsansprüche gänzlich ausschließen und stattdessen Zahlungen vereinbaren, die häufig nach der Dauer der Ehe gestaffelt werden und gleichzeitig auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile abzielen (mit Blick auf die eheliche Rollenverteilung und Babypausen), ohne dabei schenkungsteuerliche Nachteile befürchten zu müssen.
Dass vor der Heirat vereinbarte und sofort fällige Pauschalabfindungen nach BFH weiter als schenkungsteuerbare freigebige Zuwendungen behandelt werden, ist nicht überraschend – denn vor der Eheschließung sind keinerlei Zahlungsansprüche ersichtlich. Für Zahlungen vor der Hochzeit ist auch kein Grund erkennbar. Möchte ein Ehegatte dem anderen etwas zuwenden, sollte er damit zumindest bis nach der Hochzeit warten, um die steuerlichen Vergünstigungen zwischen Ehegatten nutzen zu können.
Für Ihre Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Corinna Stiehl und Steuerberater Hendrik Grosse LL.B., M.Sc. jederzeit gerne zur Verfügung.