Seit dem 26. Oktober 2022 ist es Arbeitgebern möglich, bis zu 3.000 Euro steuer- und in der Folge auch sozialversicherungsfrei an Mitarbeiter auszuzahlen, um damit die gestiegenen Verbraucherpreise abzufedern. Möglich macht dies der neue § 3 Nr. 11c EstG:
„Steuerfrei sind: zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3.000 Euro“.
Was sich auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär anhört, gestaltet sich für viele Unternehmen in der Umsetzung allerdings schwieriger als gedacht.
Voraussetzungen der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit
Findige Arbeitgeber könnten auf die Idee kommen, Boni oder Weihnachtsgelder, deren Zahlung sie ihren Arbeitnehmern arbeitsvertraglich zugesichert haben, nunmehr einfach als „Inflationsausgleichsprämie“ zu deklarieren, um so in den Genuss der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit zu gelangen. Dies mag zwar kreativ sein, ist aber rechtlich unzulässig. Es muss sich um eine tatsächliche Zusatzleistung des Arbeitgebers handeln, die „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt wird. „Umwandlungen“ sonstiger Zahlungsverpflichtungen sind also nicht möglich. Anders ist dies, sofern Arbeitgeber z.B. bislang kein Weihnachtsgeld zahlten und nunmehr die Inflationsausgleichsprämie zahlen möchten; hiergegen ist nichts einzuwenden, es sollte aber darauf geachtet werden, die Prämie auch wirklich als „Inflationsausgleichsprämie“ zu deklarieren und nicht als Weihnachtsgeld.
Die Zahlung darf allein den Zweck verfolgen, die gestiegenen Verbraucherpreise abzumildern. Daher ist es nicht möglich, die Zahlungsverpflichtung an Bedingungen zu knüpfen, wie sie z.B. für Boni üblich sind.
Weiterhin muss der Betrag innerhalb des Zeitraums vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 gezahlt werden, wobei es zulässig ist, den Betrag in Teilbeträge aufzuteilen.
Berechtigter Personenkreis
Berechtigt sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn. Auch das hört sich auf den ersten Blick einfach an und wird es in vielen Fällen auch sein. Doch was ist z.B. mit Geschäftsführern oder Gesellschaftern? Fremdgeschäftsführer, die einen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft haben, gelten in diesem Zusammenhang als Arbeitnehmer und können daher die Inflationsausgleichsprämie erhalten. Bei allen anderen ist besondere Vorsicht geboten, um das Risiko einer verdeckten Gewinnausschüttung zu vermeiden; hier sollte in jedem Fall zuvor steuerlicher Rat eingeholt werden.
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Manche Arbeitgeber werden vielleicht einzelne „unliebsame“ Arbeitnehmer(-gruppen) von der Gewährung der Inflationsausgleichsprämie ausschließen wollen oder – positiv ausgedrückt – bestimmte Arbeitnehmer besonders honorieren wollen. Doch das ist – wie oft im deutschen Arbeitsrecht – nicht so einfach.
Es gilt der „arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz“. Dahinter steckt der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, dass der Arbeitgeber nicht einzelne Arbeitnehmer(-gruppen) ohne sachlichen Grund von begünstigenden Regelungen im Arbeitsverhältnis ausnehmen und schlechter stellen darf als andere vergleichbare Arbeitnehmer. Kurz gesagt: Der Arbeitgeber darf nicht willkürlich und unsachlich Mitarbeiter unterschiedlich behandeln. Folge bei einem Verstoß ist die Angleichung nach oben, d.h. benachteiligte Arbeitnehmer dürfen die ihnen vorenthaltene Zahlung verlangen.
Doch was heißt das nun konkret?
Klar ist, dass Arbeitgeber Teilzeitmitarbeitern die Prämie auch nur anteilig entsprechend ihrer Arbeitszeit gewähren müssen.
Möglich wäre es wohl auch, Mitarbeiter mit einem geringeren Gehalt eine höhere Prämie zu zahlen als Mitarbeitern, die bereits ein höheres Gehalt erhalten, da diese durch die Inflation typischerweise stärker betroffen sind. Auch könnten soziale Gründe, wie z.B. Unterhaltsverpflichtungen, zur unterschiedlichen Behandlung von Mitarbeitern angeführt werden, da sich bei diesen die Kostensteigerungen gravierender auswirken.
Relevant ist also, sofern eine unterschiedliche Behandlung gewollt ist, dass die Unterscheidung einen sachlichen Grund im Sinn und Zweck der Prämie, hier: der Abfederung inflationsbedingter Verluste, hat.
Vertragliche Ausgestaltung
Arbeitgeber sollten die Prämie nicht kommentarlos auszahlen, sondern mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine Zusatzvereinbarung schließen oder die Mitarbeiter in einem unterschriebenen Anschreiben hierüber informieren. Dies gilt allein schon wegen des neuen Nachweisgesetzes, das verlangt, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern über den neuen Entgeltbestandteil einen schriftlichen Nachweis aushändigen (leider auch dann, wenn es sich um eine bloße Einmalzahlung handelt).
In die Zusatzvereinbarung oder dem Anschreiben ist ausdrücklich ein Freiwilligkeitsvorbehalt aufzunehmen, damit keine ungewollte Bindung eintritt. Außerdem ist darauf zu achten, den Zweck der Prämie, die Höhe und der Auszahlungszeitpunkt (Fälligkeit) konkret zu nennen.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Auch der Betriebsrat darf nicht vergessen werden, da dieser nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hat. Er ist somit vor der Auszahlung der Prämie zu involvieren und es ist hierüber eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.
Bei Fragen rund um dieses Thema stehen Ihnen Rechtsanwältin Dr. Annette Sättele und Rechtsanwältin Sarah Kaufmann sowie das gesamte Team der Praxisgruppe Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.