Kommunen können unter den Voraussetzungen des § 108 Abs. 6 GWB ausschreibungsfrei mit anderen Kommunen kooperieren. Seit der Entscheidung des EuGH in der Sache Piepenbrock (Urteil v. 13.06.2013, Rs. C-386/11) ist jedoch klar, dass eine schlichte Beauftragung einer Kommune durch eine andere Kommune nicht zulässig ist. Für die Ausschreibungsfreiheit bedarf es eines kooperativen Konzepts. Doch was grenzt das kooperative Konzept von einer Abstimmung zum Inhalt eines Auftrags ab? Scheitert die Ausschreibungsfreiheit schon dann, wenn einer der Beteiligten nur finanzielle Beiträge leistet? Vieles ist unklar. In einer jüngeren Entscheidung akzentuiert der EuGH (Urteil v. 04.06.2020 – C-429/19) nun etwas stärker, wodurch sich ein kooperatives Konzept auszeichnet.
In dem vom EuGH entschiedenen Fall hatte ein Zweckverband, der im Bereich der Abfallverwertung und -entsorgung tätig ist, einen nicht dem Zweckverband angehörigen Landkreis ohne Ausschreibung mit der Behandlung von Siedlungsabfällen beauftragt. Beide hatten einen Vertrag geschlossen, der – verkürzt gesagt – vorsah, dass der Landkreis für den Zweckverband in einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage Restabfälle gegen Entgelt behandelte. Remondis sah darin eine unzulässige Direktvergabe.
Der im Wege der Vorabentscheidung angerufene EuGH nutzte die Gelegenheit, um die Anforderungen, die an das für eine horizontale Zusammenarbeit (vgl. § 108 Abs. 6 GWB) notwendige „kooperative Konzept“ gestellt werden, etwas zu präzisieren. Mit seiner Entscheidung stellt er nochmals klar, dass eine ausschreibungsfreie Zusammenarbeit mehrerer öffentlicher Auftraggeber nicht vorliegt, wenn sich ein Vertragspartner lediglich verpflichtet, eine Dienstleistung gegen Entgelt auszuführen. Außerdem benannte er zumindest Indizien für ein kooperatives Konzept.
1. Wesentlicher Entscheidungsinhalt
Der EuGH stellt klar, dass eine bloße Kostenerstattung noch keine Zusammenarbeit im Sinne von Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU bedeutet. Dass ein öffentlicher Auftraggeber einen anderen beauftrage, schließe die Anwendbarkeit des Vergaberechts nicht automatisch aus. Der Aufbau einer Zusammenarbeit habe – anders als die Auftragsvergabe – „eine ihrem Wesen nach kollaborative Dimension“. Eine Kooperationsvereinbarung setze deshalb voraus, dass die beteiligten öffentlichen Stellen „gemeinsam ihren Bedarf und die Lösungen dafür definieren“. Dies unterscheide die Zusammenarbeit vom öffentlichen Auftrag, da dort der öffentliche Auftraggeber einseitig seinen Bedarf prüfe und definiere sowie anschließend den von ihm so festgelegten Leistungsgegenstand ausschreibe. Zusammenarbeit beruhe auf einer gemeinsamen Strategie der Kooperationspartner. Erforderlich sei, dass sie „ihre Anstrengungen zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen bündeln“.
2. Auswirkungen auf die Praxis
Will eine Kommune von einer anderen ausschließlich eine Dienstleistung gegen Entgelt in Anspruch nehmen, handelt es sich nicht um eine ausschreibungsfreie Zusammenarbeit, sondern um einen normalen öffentlichen Auftrag. Die Kommune muss daher ein Vergabeverfahren durchführen und darf eine andere Kommune nicht kurzerhand ausschreibungsfrei beauftragen.
Eine ausschreibungsfreie Zusammenarbeit von Kommunen nach § 108 Abs. 6 GWB ist nur möglich, wenn die beteiligten Kommunen zuvor eine Kooperationsvereinbarung ausgearbeitet haben. Dies setzt wiederum eine gemeinsame Bedarfsprüfung und -definition voraus. Kommunen sollten deshalb bei der Vertragsgestaltung darauf achten, die kollaborative Dimension ihrer Zusammenarbeit zu betonen.
Für alle Fragen zum Vergaberecht oder rund um das Öffentliche Recht stehen Ihnen Rechtsanwalt Dr. Michael Wenzel (michael.wenzel@rittershaus.net) und Rechtsanwalt Dr. Christoph Rung (christoph.rung@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.