Am 23. März 2020 wurde vom Bundeskabinett eine „Formulierungshilfe“ für ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie verabschiedet, die auch Teilbereiche des Mietrechts vorübergehend neu regelt. Die Änderungen sollen am 1. April 2020 in Kraft treten. Nach aktueller Entwurfsfassung ist mit folgenden Auswirkungen zu rechnen:
1. „Kündigungsschutz“ bei pandemiebedingter Nichtzahlung der Miete
Wohnraum- und Gewerbemieter wie auch Pächter (letztere insbesondere im stark betroffenen Hotel-, Freizeit- und Gaststättengewerbe) können Miet- und Pachtzahlungen, die in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni 2020 fällig werden, aussetzen, ohne deswegen eine Kündigung befürchten zu müssen; aus Vereinfachungsgründen sprechen wir nachstehend nur noch von „Mieter“.
Die Bundesregierung kann durch Verordnung den betroffenen Fälligkeitszeitraum bis 30. September 2020 verlängern, wenn dies erforderlich wird, mit Zustimmung des Bundestags sogar noch darüber hinaus.
Das Gesetz schützt den Mieter vor dem Verlust der Mietsache, wenn er vorübergehend wegen der Auswirkungen der Pandemie die fälligen Mieten nicht fristgerecht zahlen kann. Hierzu dürften nach unserem Verständnis auch Nebenkosten zählen, denn der Gesetzentwurf unterscheidet nicht zwischen Kalt- und Warmmiete.
2. Zusammenhang zur Corona-Pandemie vom Mieter glaubhaft zu machen
Für den Kündigungsschutz erforderlich ist allerdings ein konkreter Zusammenhang zur Pandemie. Anders als in Vorentwürfen vorgesehen, wird dieser nicht mehr vermutet, der Mieter muss ihn vielmehr glaubhaft machen. Das bedeutet, dass er dem Vermieter bzw. im Streitfall einem Gericht Tatsachen darlegen muss, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass die Nichtzahlung der Miete (d.h. das „nicht zahlen können“) tatsächlich durch die Pandemie verursacht ist.
Geeignete Mittel der Glaubhaftmachung sind beispielsweise eine Versicherung an Eides statt oder Urkunden, wie etwa eine Bescheinigung des Arbeitgebers über den Verdienstausfall (bei Wohnraummiete) oder eine hoheitliche Schließungsanordnung, wie sie aktuell für viele Restaurants und Freizeiteinrichtungen gelten (bei Geschäftsraummiete). Ebenso zählt die Gesetzesbegründung Rechtsverordnungen und behördliche Anordnungen auf, die den Betrieb „erheblich einschränken“. Was darunter im Einzelfall zu verstehen ist, bleibt abzuwarten. Bei Restaurants könnte ggf. die Auflage, dass Speisen nur noch „to go“ verkauft werden dürfen, hierunter fallen.
3. Verhandlungen und Vertragsregelungen möglich?
Es erscheint in der aktuellen Lage grundsätzlich mehr denn je sinnvoll, dass Mietvertragsparteien bei absehbarem Liquiditätsengpass des Mieters zur Vermeidung einer Eskalation frühzeitig miteinander kommunizieren. Denn eine Verhandlungslösung verbietet das Gesetz nicht.
Allerdings darf nicht von der neuen Gesetzesregel (temporärer Ausschluss des Kündigungsrechts wegen Nichtzahlung der Miete) zu Lasten des Mieters abgewichen werden. Es handelt sich also um „zwingendes Recht“. Entgegenstehende vertragliche Regelungen (auch in AGB) sind daher solange das neue Gesetz gilt, unwirksam bzw. unanwendbar. Dies dürfte insbesondere auch für (alte) Vertragsregelungen gelten, die für den Fall der Nichtzahlung durch den Mieter aufgrund höherer Gewalt („Pandemien“) ein Kündigungsrecht für den Vermieter vorsehen. Damit wird unter Umständen altes Vertragsrecht vorübergehend – entgegen der Einigung der Vertragsparteien – außer Kraft gesetzt.
Die Vertragsparteien können und dürfen sich aber nach unserer Einschätzung insbesondere über den Zeitraum, in dem die rückständigen Mieten nachbezahlt werden, auf eine Verzinsung oder auch auf ein notarielles Schuldanerkenntnis als Vollstreckungstitel einigen. Ob über eine ohnehin bestehende Kaution hinaus eine Mietsicherheit vereinbart werden kann, dürfte zumindest im Wohnraummietrecht zweifelhaft sein. Im Einzelfall bestehen allerdings, insbesondere bei der Gewerberaummiete, Chancen, dass der Vermieter sich wegen des Mietausfalls an der Kaution schadlos halten darf, insbesondere, wenn er im Hinblick auf die Immobilie Bankverbindlichkeiten zu bedienen hat (siehe auch unten 6.).
4. Wann und wie kann gekündigt werden? Welche anderen Möglichkeiten haben Vermieter?
Ab 1. Juli 2022 könnten Vermieter wegen der Nichtzahlung der in dem betroffenen Zeitraum (1. April bis 30. Juni 2020) fällig gewordenen Mieten wieder nach allgemeinen Regeln kündigen. Damit haben Mieter vom 30. Juni 2020 an zwei Jahre Zeit, einen Mietrückstand aus diesem Zeitraum auszugleichen, ohne eine Kündigung befürchten zu müssen.
Mieter erhalten durch die Neuregelung aber kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht. Sie bleiben zur Mietzahlung verpflichtet, können in Verzug geraten und insbesondere auch auf Zahlung verklagt werden. Vermieter können auch Mahnbescheid beantragen. Ob im Rahmen der Vollstreckung eines Zahlungstitels gegen den Mieter für Mieten aus dem fraglichen Zeitraum Vollstreckungsschutz zu gewähren ist, beantwortet der Gesetzentwurf nicht. Hier wird die Wertung der Gerichte abzuwarten sein; die Gesetzesregelung erscheint (auch) hier unvollständig.
Wichtig ist, dass die Beschränkung des Kündigungsrechts vorerst nur für Mietzahlungsrückstände aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 gilt. Dem Vermieter bleibt es also unbenommen, das Mietverhältnis auch während der Geltungsdauer des neuen Gesetzes aufgrund von Mietrückständen zu kündigen, die in einem früheren Zeitraum aufgelaufen sind beziehungsweise die aus einem späteren Zeitraum resultieren.
Erlaubt bleibt daneben für jeden Zeitraum die Kündigung wegen Vertragsverletzungen anderer Art, beispielsweise unbefugter Überlassung der Mietsache an Dritte (§ 543 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BGB) oder wegen Eigenbedarfs (§ 573 Absatz 2 Nummer 3 BGB) kündigen.
Auch die ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten nach § 580a BGB bleiben bestehen. Bei der Geschäftsraummiete gilt dabei, dass die Kündigung nur zum Quartalsbeginn bis zum dritten Werktag erklärt werden kann und dann zum Ende des darauffolgenden Quartals wirkt. Es ergibt sich daher eine (ordentliche) Kündigungsfrist von beinahe sechs Monaten. Eine kurzfristige Kündigung in Corona-Zeiten ist damit im Bereich der Geschäftsraummiete über diese Regelung nicht möglich. Die Kündigungsfristen aus § 580a BGB sind zudem abdingbar und gerade bei der Geschäftsraummiete mit festen Mietzeiträumen typischerweise auch abbedungen.
5. Welche Rechte hat der Vermieter, wenn er durch ausbleibende Miete in Liquiditätsengpass gerät („Dominoeffekt“)?
Mit der Forderung nach einer Zumutbarkeits- oder Härtefallklausel zugunsten des Vermieters konnte sich die CDU/CSU-Fraktion nicht durchsetzen. Die Gesetzesbegründung spricht allenfalls in „ganz besonders gelagerten Einzelfällen“ von einem möglichen Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben.
Kommt der Vermieter aufgrund ausbleibender (Warm-)Miete demnach gegenüber Dritten in Zahlungsschwierigkeiten, etwa gegenüber Versorgern, Dienstleistern oder z.B. wegen Grundsteuerzahlungen, bleibt er im Grundsatz zur Leistung verpflichtet; er trägt für den o.g. Zeitraum das „Liquiditätsrisiko“ des Wohnraummieters und das „Betriebsrisiko“ des Gewerbemieters.
Es können dem Vermieter allenfalls aus dem im „Covid-Gesetz“ vorgesehenen allgemeinen schuldrechtlichen „Moratorium“ Leistungsverweigerungsrechte zustehen. Das Gesetz ist hier aber unklar formuliert. Der ausdrückliche Ausschluss des „Moratoriums“ auf Miet- und Pachtverträge dürfte nach unserem Verständnis nur für das Verhältnis des Mieters zum Vermieter gelten, nicht aber für dessen Rechtsverhältnisse zu Dritten. Damit bleibt ein Rückgriff für den Vermieter auf das „Moratorium“ eventuell erlaubt.
Voraussetzung ist dann allerdings, dass der Vermieter seinerseits höchstens als Kleinstunternehmen im Sinne der KMU-Empfehlung der EU-Kommission anzusehen ist. Er darf insofern nicht mehr als zehn Personen beschäftigen, sein Jahresumsatz darf 2 Mio. EUR nicht überschreiten. Ob sich diese Obergrenzen bei gemischten Betrieben („Vermietung plus“) nur auf den Vermietungsteilbetrieb beziehen oder auf den gesamten Betrieb des Vermieters, ist unklar. Insbesondere bei „Wohnungsunternehmen“ wird daher stets genau zu prüfen sein, ob eine Berufung auf das „Moratorium“ offensteht.
Darüber hinaus muss die Leistungsverweigerung für den Gläubiger des Vermieters (d. h. etwa das Versorgungsunternehmen, den Dienstleister) seinerseits zumutbar sein. Dies wird nach den Ankündigungen der Regierung allenfalls bei der öffentlichen Hand als Gläubiger ohne Weiteres anzunehmen sein. Bei allen anderen Geschäftspartnern des Vermieters ist eine Zumutbarkeitsprüfung durchzuführen, die auch gerichtlich überprüft werden kann.
6. Sonderregeln bei fremdfinanzierten Immobilien
Bzgl. etwaiger Verbindlichkeiten des Vermieters gegenüber Banken gelten wiederum Sonderregeln. Hier ist nur für Verbraucher (nicht aber für Kleinstunternehmen wie beim allgemeinen „Moratorium“) eine Erleichterung durch gesetzlich angeordnete Stundung von Zins und Tilgung und Kündigungsschutz vorgesehen. Vermieter gelten allerdings regelmäßig als Unternehmer. Der Vermieter bleibt also als Darlehensnehmer weiter zur Zahlungen seiner Annuitäten verpflichtet.
Die Bundesregierung darf allerdings durch Rechtsverordnung, die nur vom Bundestag abgeändert oder abgelehnt werden darf, die bislang nur für Verbraucher vorgesehenen Erleichterungen auch auf KMU (d. h. auch kleine und mittlere Unternehmen und in diesem Zusammenhang also insbesondere auf „Wohnungsunternehmen“) erweitern. Wenn in der Praxis absehbar wird, dass hier strukturell Schieflagen entstehen, ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht. Nach der Gesetzesbegründung sollen allerdings die übrigen öffentlichen Hilfsangebote für die Wirtschaft, insbesondere staatlichen Liquiditätshilfen, vorrangig zur Anwendung kommen.
7. Sind noch Änderungen im Gesetzgebungsverfahren zu erwarten?
Änderungen sind nicht ausgeschlossen, allerdings auch nicht besonders wahrscheinlich, nachdem die Bundeskanzlerin mit Blick auf die Kabinettssitzung bereits am Sonntagabend erklärt hatte, dass sich die Bundesregierung mit allen Regierungsfraktionen und Ländern vorabstimmen werde. Insofern ist eher zu erwarten, dass die vom Kabinett verabschiedete „Formulierungshilfe“ den Bundestag und Bundesrat ohne relevante Änderungen passieren wird.
Der Autor:
Dr. Michael Kühn
Partner, zertifizierter Mediator, zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Mitglied der RITTERSHAUS Corona Task Force
michael.kuehn@rittershaus.net
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