Es sind schon fast zwei Jahre her, dass die lang diskutierte Reform des Stiftungsrechts beschlossen wurde. Sie tritt nun zum 1. Juli 2023 in Kraft. Umso drängender stellt sich die Frage, ob vor der Einführung des neuen Stiftungsrechts bei bereits existierenden Stiftungen noch reagiert werden muss. Es sind gerade die neuen Bestimmungen zu Satzungsänderungen, die in den Fokus dieser Überlegungen rücken.
Die bisherigen im jeweiligen Landesrecht geregelten Bestimmungen zu Satzungsänderungen werden zukünftig zwingend durch die bundesweit geltenden neuen Regelungen des BGB abgelöst. Unter welchen Voraussetzungen Stiftungssatzungen geändert werden dürfen, ist zukünftig in § 85 BGB-neu geregelt. Dieser sieht drei Kategorien vor und stellt absteigend nach Eingriffsintensität der Satzungsänderung in die Stiftungsverfassung immer geringere Anforderungen an die Satzungsänderung auf:
- Der Austausch sowie erhebliche Beschränkungen des Stiftungszwecks sind zukünftig nur dann noch möglich, wenn der bisherige Stiftungszweck nicht dauernd oder nachhaltig erfüllt werden kann oder der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet (§ 85 Abs. 1 S. 1 BGB-neu).
- Andere Zweckänderungen sowie Änderungen von Satzungsreglungen, die prägend für die Stiftung sind, wie dies „regelmäßig“ bei Bestimmungen über den Namen, den Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung und über die Verwaltung des Grundstockvermögens der Fall sein soll, sind zukünftig nur möglich, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben und die Änderung zur Anpassung an die neuen Verhältnisse erforderlich ist (§ 85 Abs. 2 BGB-neu).
- Bei einfachen Satzungsänderungen, die nicht von den vorstehenden Kategorien erfasst sind, reicht es für eine Änderung aus, dass diese der Erfüllung des Stiftungszwecks dienen (§ 85 Abs. 3 BGB-neu).
Bei Bestandsstiftungen, die bisher keine Regelungen zur Änderung der Stiftungssatzung vorsehen oder insoweit lediglich auf die gesetzlichen Regelungen verweisen, gelten die Regelungen des § 85 Abs. 1 bis 3 BGB-neu zukünftig uneingeschränkt. Diese Stiftungen müssen sich somit überlegen, ob diese neuen Regelungen noch mit dem Willen des Stifters oder des die Stiftungssatzung abändernden Organs übereinstimmen.
Ist dies nicht der Fall, könnte die Stiftungssatzung noch geändert werden, denn auch nach dem neuen Recht sind die Regelungen zu Satzungsänderungen in einem gewissen Maße disponibel. Nach § 85 Abs. 4 BGB-neu kann der Stifter im Stiftungsgeschäft Satzungsänderungen ausschließen oder beschränken bzw. Änderungen durch die Organe der Stiftung auch abweichend von den gesetzlichen Vorgaben zulassen, jedoch nur, wenn der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt. Nach der Gesetzesbegründung darf der Stifter also keine Blanko- oder Pauschalermächtigung zur Änderung der Satzung erteilen, sondern muss den Stiftungsorganen „Leitlinien und Orientierungspunkte für die Satzungsänderung“ vorgeben, wobei hierfür umso höhere Anforderungen gelten sollen, je bedeutsamer die Änderungen sind, zu denen ermächtigt werden soll.
Bei dieser Regelung des § 85 Abs. 4 BGB-neu dürfte es sich um die für bestehende Stiftungen wohl bedeutsamste Gesetzesänderung handeln, denn sie ist auch für die Bestandsstiftungen relevant, die für Satzungsänderungen ein eigenes, individuelles Konzept enthalten. Erfüllen diese individuellen Bestimmungen nicht die Voraussetzungen des § 85 Abs. 4 BGB-neu, sind sie ab dem 1. Juli 2023 unwirksam mit der Folge, dass die neuen gesetzlichen Regelungen zur Anwendung kommen. Sollte dies nicht gewünscht sein, müssen die vorhandenen Regelungen zur Satzungsänderung an die neuen Grenzen des Gestaltungsspielraums angepasst werden. Gerade die in vielen Stiftungssatzungen vorgesehene Pauschalermächtigung für Stiftungsorgane, jegliche Satzungsänderungen mit einer gewissen Stimmenmehrheit zu beschließen, wird zukünftig als unwirksam anzusehen sein.
Viele Stiftungen haben jedoch inzwischen festgestellt, dass die neuen gesetzlichen Regelungen zur Satzungsänderung durchaus ausgewogen sind und deshalb davon abgesehen, ihre Satzung zu ändern. Bei den Stiftungen, die hingegen mit der Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen zur Satzungsänderung, sei es aufgrund fehlender oder aufgrund zukünftig unwirksamer Satzungsbestimmungen, nicht einverstanden sind und noch keine beschlossene Satzungsänderung der zuständigen Behörde zur Genehmigung vorgelegt haben, sollte hingegen Torschlusspanik herrschen, denn diese Satzungsänderung muss vor dem 1. Juli 2023 wirksam werden.
Für Rückfragen steht Ihnen unsere Rechtsanwältin Verena Eisenlohr gerne zur Verfügung.