Die Europäische Kommission hat am 21.04.2021 ein Maßnahmenpaket angenommen, das dazu beitragen soll, Investitionen in nachhaltige Investments zu fördern. „Greenwashing“ soll unterbunden werden und Investoren sollen zukünftig die Möglichkeit haben, anhand normierter Kriterien verlässlich festzustellen, ob ein Investment tatsächlich nachhaltig ist.
Dies soll vornehmlich durch die delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie sichergestellt werden, welche Kriterien für Wirtschaftstätigkeiten enthält, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel leisten. Zudem werden Kriterien für Tätigkeiten definiert, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die anderen Umweltziele der EU-Taxonomie-Verordnung nicht wesentlich beeinträchtigen.
Flankiert wird die delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie durch einen Richtlinienvorschlag zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung der Unternehmen, welche für verlässliche Angaben zum Thema Nachhaltigkeit sorgen soll. Sechs delegierte Änderungsrechtsakte zu treuhänderischen Pflichten sowie zur Anlage-Versicherungsberatung, sollen dafür sorgen, dass Finanzunternehmen Nachhaltigkeitsthemen in ihre Verfahren und Anlageberatung für Kunden aufnehmen.
Im vorliegenden Beitrag werden die Hintergründe kurz erläutert und die derzeit absehbaren Auswirkungen auf die Berichtspflichten von Unternehmen dargestellt:
1. Hintergründe
Die rechtliche Grundlage des Maßnahmenpakets bildet die im Juli 2020 in Kraft getretene EU-Taxonomie-Verordnung (EU-TAX-VO), die ein EU-weit geltendes einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten (EU-Taxonomie) enthält. Die EU-TAX-VO führt insbesondere zu neuen Berichterstattungspflichten für Unternehmen, die die nichtfinanzielle Erklärung nach § 289 b HGB ff. abzugeben haben. Anhand der einheitlichen Klassifizierung soll mehr Transparenz und Vergleichbarkeit zum Nachhaltigkeitsniveau von Unternehmen und Finanzprodukten geschaffen werden.
Die EU-TAX-VO ist als Rahmengesetz konzipiert, d.h. die inhaltlich konkrete Ausgestaltung soll durch die insoweit ermächtigte Europäische Kommission mittels delegierter Rechtsakte, also unmittelbar geltender und verpflichtender Kommissionsverordnungen, vorgenommen werden.
Eine Wirtschaftstätigkeit entspricht gemäß Art. 3 EU-TAX-VO den Nachhaltigkeitsanforderungen der EU-Taxonomie, sofern sie einen wesentlichen Beitrag zumindest zu einem der nachfolgenden in Art. 9 EU-TAX-VO genannten sechs Umweltziele leistet und dabei keine signifikante Beeinträchtigung eines der fünf übrigen Umweltziele verursacht:
a) Klimaschutz
b) Anpassung an den Klimawandel
c) Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
d) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
e) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
f) Schutz gesunder Ökosysteme/Biodiversität
Daneben müssen zur Qualifizierung als nachhaltige Wirtschaftstätigkeit bestimmte Sozialstandards, wie die Vorgaben der International Labor Organisation, die Charta der Menschenrechte, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen sowie die OECD Leitsätze eingehalten werden.
Mit dem delegierten Rechtsakt wird der erste Teil der technischen Bewertungskriterien eingeführt, anhand derer bestimmt werden soll, welche Wirtschaftstätigkeiten wesentlich zur Erreichung von zwei der in der EU-TAX-VO festlegten Umweltziele beitragen, und zwar die Anpassung an den Klimawandel und der Klimaschutz.
Diese Kriterien stützen sich auf die wissenschaftlichen Empfehlungen der Sachverständigengruppe für nachhaltiges Finanzwesen, der Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG). In diesem Teil geht es schwerpunktmäßig um die Sektoren, die vorrangig für Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Die durch die TEG vorgenommene Einteilung richtet sich nach dem in der EU geltenden Klassifizierungsschema von Wirtschaftszweigen, NACE bezeichnet. Demgemäß werden die Wirtschaftsaktivitäten in sieben Makro-Sektoren eingeteilt. Doch wurden noch nicht für alle NACE-Aktivitäten Prüfkriterien eingeführt, was die praktische Anwendung erschweren dürfte. Ebenfalls Schwierigkeiten dürfte der Umstand bereiten, dass manche Wirtschaftstätigkeiten unter verschiedene Kategorien gefasst werden können.
Gemäß Art. 8 Absatz 1 EU-TAX-VO ist jedes Unternehmen, das eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben muss, verpflichtet, in diese Erklärung Erläuterungen aufzunehmen, wie und in welchem Umfang die Aktivitäten des Unternehmens nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie sind. Diese Berichtspflicht gilt erstmals für das laufenden Geschäftsjahr 2021.
Insbesondere müssen die berichtspflichtigen Unternehmen nach Art. 8 Absatz 2 EU-TAX-VO den Anteil ihrer Umsatzerlöse angeben, der mit den Produkten oder Dienstleistungen erzielt wird, welche mit den Tätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Ferner sind Angaben zum Anteil der Investitionsausgaben und den Anteil der Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Vermögensgegenständen oder Prozessen zu treffen, die mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltig einzustufen sind.
2. Auswirkungen auf die Berichtspflichten von Unternehmen
Mit dem vorgelegten Richtlinienvorschlag soll die CSR-Richtlinie überarbeitet werden. Deklariertes Ziel der EU-Kommission ist es, die Nachhaltigkeitsberichtserstattung im Laufe der Zeit auf eine Stufe mit der Finanzberichtserstattung zu heben.
Mit dem Vorschlag soll die Nachhaltigkeitsberichtserstattung auf alle Großunternehmen und alle börsennotierten Unternehmen ausgeweitet werden. Nach Angaben der EU-Kommission werden künftig fast 50.000 Unternehmen in der EU detaillierte Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung einhalten müssen, d.h. deutlich mehr als die 11.000 Unternehmen, die nach aktuell geltendem Recht den Berichtspflichten unterliegen. Die EU-Kommission schlägt die Ausarbeitung von Standards für Großunternehmen vor sowie gesonderte, verhältnismäßige Standards für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), welche nicht-börsennotierte KMU freiwillig anwenden können.
Das ambitionierte im europäischen Green Deal definierte Ziel ist die Klimaneutralität Europas bis 2050. Die EU möchte weltweit eine Vorreiterrolle bei der Transformation der Finanzindustrie einnehmen.
Das Maßnahmenpaket wird jedoch nicht kritiklos angenommen. So wird behauptet, dass das Ziel, eine einfache und anwenderfreundliche Orientierungshilfe zu schaffen, nicht erreicht worden sei. Ferner wird befürchtet, dass gerade für den Mittelstand die Bürokratielast enorm sein könnte.
Für alle Fragen zu nachhaltigkeitsspezifischen Themen im Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, den Berichtspflichten im Zusammenhang mit der nichtfinanziellen Erklärung sowie im Allgemeinen zur nachhaltigen Corporate Governance steht Ihnen Rechtsanwalt Jens Magers (jens.magers@rittershaus.net), Gründer des Kompetenzteams Sustainable Investment and Finance gerne zur Verfügung.