Blogbeitrag von Steuerberater Hendrik Grosse, LL.B., M.Sc. und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. Marc Hauser
Eine GmbH erwirtschaftet Gewinne. Manche Gesellschafter sind auf eine Ausschüttung derselben bedacht, während der Mehrheitsgesellschafter bereit ist, seinen Gewinnanteil „stehenzulassen“, damit die GmbH finanziert ist. Wird er steuerlich so behandelt, als ob er eine Ausschüttung erhalten hat, obwohl das Geld noch in der GmbH ist?
Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. September 2021 (VIII R 25/19) führt ein Gesellschafterbeschluss über die Einstellung des Gewinnanteils eines beherrschenden Gesellschafters auf eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.
1. Hintergrund und Problemstellung
Aus Gründen der Innenfinanzierung kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, auf eine vollständige Ausschüttung des von der GmbH erzielten Jahresergebnisses zu verzichten. Während eine vollständige oder anteilige Thesaurierung des Gewinns bei einer Einpersonengesellschaft ohne Weiteres möglich ist, gibt es bei Mehrpersonengesellschaften häufig unterschiedliche Interessen. Erfahrungsgemäß ist vielfach lediglich der Mehrheitsgesellschafter zur Ausstattung „seiner“ Gesellschaft mit Eigenkapital bereit, während Minderheitsgesellschafter an der sofortigen Ausschüttung des Gewinns interessiert sind.
In der Praxis besteht daher seit jeher ein großes Bedürfnis nach sog. gespaltenen Gewinnverwendungsbeschlüssen. Hiernach werden nur die Gewinnanteile bestimmter Gesellschafter ausgeschüttet, während die Anteile am Gewinn anderer Gesellschafter nicht ausgeschüttet, sondern stattdessen in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden. Während derartige Gewinnverwendungsabreden bereits seit längerem gesellschaftsrechtlich zulässig sind, bestand seit einigen Jahren eine Unsicherheit hinsichtlich der ertragsteuerlichen Würdigung.
Denn nach Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen (Urteil vom 4. Juli 2019, 10 K 181/17) führte eine sog. gespaltene Gewinnverwendungsabrede direkt im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage zum Zufluss von Kapitalerträgen beim beherrschenden Gesellschafter. Dies wurde überwiegend mit dem Umstand begründet, dass der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich geschuldete Beträge jederzeit auszahlen zu lassen.
Der Bundesfinanzhof ist der Auffassung des Finanzgerichts Niedersachsen nun erfreulicherweise entgegengetreten.
2. Die Entscheidung des BFH vom 28.9.2021 (VIII R 25/19)
Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter verschiedener GmbHs, deren jeweilige Satzungen grundsätzlich von einer Verteilung des auszuschüttenden Gewinns auf die Gesellschafter nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile ausgingen. Die jeweilige Gesellschafterversammlung konnte jedoch mit einfacher Mehrheit beschließen, dass der Gewinn stattdessen einer gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage („personenbezogenes Rücklagenkonto“) gutgeschrieben wird. Der betroffene Gesellschafter musste dieser Regelung zustimmen. Diese dort „geparkten“ Gewinne konnten zu einem späteren Zeitpunkt, ebenfalls mit einfacher Stimmenmehrheit, an diesen Gesellschafter ausgeschüttet werden.
In den entsprechenden Beschlüssen über die Verwendung und Verteilung der Bilanzgewinne wurde zunächst die Höhe der ausschüttbaren Gewinne festgestellt. Im Nachgang wurde beschlossen, dass die Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter vollständig ausgeschüttet werden, während die auf den Mehrheitsgesellschafter entfallenden Gewinnanteile vollständig der personenbezogenen Rücklage zugeführt wurden.
Der Bundesfinanzhof grenzt in dem Urteil zunächst detailliert die Gewinnverwendung von der Gewinnverteilung ab. Während im Rahmen der Gewinnverwendung (§ 29 Abs. 2 GmbHG) darüber entschieden wird, ob der entstandene Gewinn ausgeschüttet oder thesauriert wird, ist Gegenstand der Gewinnverteilung (§ 29 Abs. 3 GmbHG), wie der auszuschüttende Gewinn – entsprechend der Höhe der Geschäftsanteile oder inkongruent – an die Gesellschafter verteilt wird. Die Gewinnverteilung bezieht sich nachgelagert somit nur auf denjenigen Gewinnanteil, der im Rahmen der Gewinnverwendung zur Ausschüttung bestimmt wurde.
Ein Beschluss über eine gespaltene Gewinnverwendung führt aus Sicht des Bundesfinanzhofes allerdings nicht zu einer Ausschüttung des thesaurierten Gewinnanteils bei dem Gesellschafter, dessen Gewinnanteil thesauriert wird. Da gespaltene Gewinnverwendungen zivilrechtlich anzuerkennen sind, wenn diese nach der Satzung der GmbH möglich sind und ein wirksamer Beschluss hierüber gefasst wurde, hat das Steuerrecht dem grundsätzlich zu folgen.
Erfreulicherweise führt der Bundesfinanzhof auch aus, dass
- die Stellung eines Gesellschafters als beherrschender Gesellschafter hieran nichts ändert. Denn auch bei diesem liegt aufgrund der Thesaurierung in einer gesellschafterbezogenen Rücklage Eigenkapital der Gesellschaft vor; und
- ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) nicht damit begründet werden kann, dass Ausschüttungen an alle Gesellschafter möglich gewesen wären. Gewinnthesaurierungen zur Innenfinanzierung der Gesellschaft sind als wirtschaftlicher Grund anzuerkennen und somit dazu geeignet, einen Gestaltungsmissbrauch zu verhindern.
3. Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes ist sehr zu begrüßen, sie schafft Rechtssicherheit und führt zu deutlich mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung von Gewinnverwendungs- und Gewinnverteilungsbeschlüssen. Die Gesellschafter können nun interessengerechte Regelungen treffen, indem nur bestimmte Gesellschafter Ausschüttungen erhalten, während der Gewinn im Übrigen vorerst einbehalten wird.
Bisher wurde das Urteil allerdings noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BFH/NV 2022, 267). Vor dem Hintergrund, dass die Finanzverwaltung mittlerweile seit fast einem Jahrzehnt auch inkongruente Gewinnausschüttungen anerkennt, wenn diese zivilrechtlich wirksam sind (BMF vom 17.12.2013, BStBl. I 2014, 63), besteht allerdings Grund zur Hoffnung, dass sich die Finanzverwaltung der Auffassung des Bundesfinanzhofes noch anschließt.
Für Ihre Rückfragen stehen Ihnen Steuerberater Hendrik Grosse und Rechtsanwalt Dr. Marc Hauser jederzeit gerne zur Verfügung.