Mit den vielbeachteten Vorschlägen zur Änderung der „EU-Richtlinie über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts“ (EU 2017/1132) im April 2018 hat die EU-Kommission als Teil des Company Law Package unter anderem die Möglichkeit der Onlinegründung einer Kapitalgesellschaft auf den Weg gebracht. Der Leitgedanke der Onlinegründung besteht in der volldigitalisierten Gründung einer Gesellschaft innerhalb von fünf Tagen ohne die physische Anwesenheit des Gründers (oder eines Vertreters) vor einem Notar oder einer vergleichbaren Stelle. Dadurch sollen insbesondere Kosten für die Gründer gesenkt und das Registerverfahren beschleunigt werden.
Die Vorschläge sorgten bei allen (potentiellen) Adressaten für Aufsehen. Insbesondere die Frage, ob Notare, deren Mitwirkung bei der „Offlinegründung“ zwingend erforderlich ist, im Verfahren der digitalen Gründung völlig außen vor bleiben, besaß bisweilen eine gewisse Sprengkraft. Kritiker befürchteten vor allem einen Verlust an Beratungsqualität und sahen die Gefahr unlauteren Handelns durch Beeinträchtigungen im Identifizierungsverfahren.
Durch das von der Kommission angestoßene und in Rekordzeit durchgeführte Gesetzgebungsverfahren hat die neue Richtlinie während der Verhandlungen zwischen EU-Parlament und EU-Rat weitere Präzisierungen und Ergänzungen erhalten. Die Richtlinie 2019/1151 wurde am 11. Juli 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt am 31. Juli 2019 in Kraft. Die Zukunft der Onlinegründung zeichnet sich dadurch sehr deutlich ab:
Eckpunkte
- Die Mitgliedstaaten müssen die vollständige Onlinegründung von Kapitalgesellschaften ermöglichen. Die Gründer (bzw. deren Vertreter) müssen zur Gründung der Gesellschaft nicht mehr persönlich vor einer öffentlichen Stelle (Notar, Gericht) erscheinen.
- Es müssen Mustersatzungen zur Verfügung gestellt werden, die im Onlineverfahren verwendet werden können.
- Die Gründungsdokumente werden elektronisch erstellt und nach – ebenfalls vollständig elektronisch erfolgter Identitätsfeststellung – elektronisch an das zuständige (Handels-)Register übermittelt.
- Zwingend ist die Einführung eines derartigen Verfahrens in Deutschland jedoch nur für die Rechtsform der GmbH (und der UG). Eine Ausweitung auf die Aktiengesellschaft (AG) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ist optional.
- Die Onlinegründung soll eine Alternative neben dem üblichen und selbstverständlich fortbestehenden Präsenzverfahren sein.
- Die Onlinegründung kann von Gründern aus dem Inland und aus anderen Mitgliedstaaten durchgeführt werden.
- Gründer können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen sein.
- Die Identifizierung der Gründer soll durch das eID-Verfahren, das auch der „neue Personalausweis“ nutzt, erfolgen.
Beteiligung der Notare am Gründungsverfahren
Die nach den ersten Entwürfen des Company Law Package befürchtete vollstände Abwesenheit eines Notars im Onlinegründungsverfahren wird ausbleiben. Der Richtlinientext sieht in seiner finalen Fassung vor, dass es den Mitgliedsstaaten zur Wahrung gesellschaftsrechtlicher Traditionen freigestellt wird, die Mitwirkung eines Notars im Gründungsverfahren vorzuschreiben. Entscheidend ist jedoch, dass diese Mitwirkung vollständig online und ohne physische Anwesenheit durchgeführt wird, sofern nicht besondere Umstände, wie etwa ein konkreter Betrugsverdacht, vorliegen.
Wie aus Kreisen der Bundesnotarkammer zu hören ist, ist die technische Umsetzung der notariellen Mitwirkung im Onlineverfahren in vollem Gange. So soll insbesondere durch Videochat und einen simultanen Dokumentenabgleich sichergestellt werden, dass die Mitwirkung der Notare im Onlineverfahren mit der gleichen Qualität wie im Präsenzverfahren erfolgt.
Einschränkungen:
Mustersatzungen
Um in den vollen Genuss der durch das Onlinegründungsverfahren zu erzielenden Vorteile zu kommen, muss die Gesellschaft mit der – noch zu entwickelnden – Mustersatzung gegründet werden. Ein solches Muster kann zwingend nur den einfachsten Fall einer Gesellschaftsstruktur abbilden, der nur selten den Interessen des oder der Gründer hinreichend gerecht werden dürfte. Selbstverständlich kann die Satzung nach erfolgreicher Gründung mit der Mustersatzung geändert werden. Bei der – ebenso möglichen – Verwendung einer individualisierten Satzung dürfte es zu einer längeren Prüfdauer kommen, wobei die Überschreitung eines Zeitraums von zehn Tagen eine Begründungspflicht der zuständigen Stelle auslösen soll.
Gründung durch juristische Personen
Ein besonderer Streitpunkt im Gesetzgebungsverfahren war die Einbeziehung der Onlinegründung durch juristische Personen. Im Fokus der Diskussion stand dabei die Sicherstellung der Existenz der juristischen Person und der Vertretungsberechtigung der handelnden Person(en). Lassen sich diese Umstände bei einer Onlinegründung durch inländische juristische Personen noch vergleichsweise einfach durch einen Blick ins Handelsregister klären, bereitet deren Feststellung bei ausländischen juristischen Personen mitunter erhebliche Schwierigkeiten. Im Ergebnis entschied sich der EU-Gesetzgeber für eine weite Ausgestaltung der Richtlinie und somit für die Einbeziehung juristischer Personen aus dem In- und Ausland als mögliche Onlinegründer. Gleichwohl bleiben die nationalen Vorschriften zur Überprüfung der Existenz der juristischen Person und deren Vertretung anwendbar, sodass insbesondere bei der Onlinegründung durch ausländische Gesellschaften – wie bisher – die Übermittlung mithin umfangreicher Dokumente an den Notar und unter Umständen doch das persönliche Erscheinen erforderlich ist.
Ausblick und Fazit: Die Zukunft kann kommen
Die Richtlinie sieht eine generelle Umsetzungsfrist bis 1. August 2021 vor, die im Einzelfall um ein Jahr verlängert werden kann. Der deutsche Gesetzgeber ist nun zur Umsetzung der Richtlinie berufen.
Bis zur ersten volldigitalen Onlinegründung wird es demnach noch etwas dauern. Gleichwohl stellt die Richtlinie einen bedeutsamen Schritt zur Digitalisierung im Gesellschaftsrecht dar.
Bei Rückfragen Gesellschaftsgründungen, online wie offline sowie zu sonstigen Fragen des Gesellschaftsrechts steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Adrian Bugger unter adrian.bugger@rittershaus.net jederzeit zur Verfügung.