Keine sensationellen Neuigkeiten oder Warnmeldungen, sondern kurze, praktische Hinweise für Arbeitgeber, die wir anhand der bei uns in den letzten Tagen eingehenden Fragen für Sie aufbereitet haben. Wir freuen uns über Feedback aus den Unternehmen und natürlich stets auch über vertiefende Fragen. Los geht es mit unseren Fragen und Antworten:
- Ich bin doch nicht das Krankenhaus! Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Bereits im eigenen Interesse achtet jeder Arbeitgeber auf das Wohlergehen seiner Mitarbeiter. Rechtlich ist seine Fürsorgepflicht ausdrücklich in § 618 BGB normiert: Verkürzt gesagt muss der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb so organisieren, dass jeder Mitarbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit als möglich geschützt ist. Dementsprechend ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen entsprechend exponierten Mitarbeitern Schutzausrüstung und geeignete Reinigungsmittel zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist es aber auch nicht nur sinnvoll oder geboten, einen erkrankten oder verdächtigen Mitarbeiter zur Genesung nach Hause zu schicken, sondern – zum Schutz der Kollegen – eine Pflicht, dies zu tun. Die empfohlenen Hygienemaßnahmen sind durch geeignete Maßnahmen, z.B. Waschmöglichkeiten und Desinfektionsmittel, zu unterstützen. - Quarantäne und Infektionsschutzgesetz
Besonderheiten gelten bei Anordnung von Quarantäne bzw. sonstigen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz. Nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhält der Mitarbeiter sechs Wochen lang eine Entschädigungsleistung gezahlt, die der Höhe des Verdienstausfalls entspricht. Die Entschädigung zahlt der Arbeitgeber aus, er kann sie sich jedoch erstatten lassen.Achtung: Antragsfrist für die Erstattung drei Monate! Die für die Erstattung zuständige Behörde richtet sich nach Landesrecht (zum Beispiel in Baden-Württemberg und Hessen die Gesundheitsämter oder in Bayern die Bezirksregierungen). Die Entschädigungsleistungen stehen übrigens auch Selbständigen zu!
Und wenn ein konkreter Ansteckungsverdacht oder gar eine Infektion tatsächlich den Betrieb erreicht, gelten verschärfte Regelungen: Wegen der hohen Ansteckungsgefahr besteht eine strenge Meldepflicht. Infizierte, Verdachtspersonen und Kontaktpersonen müssen zum Test in eine vom örtlichen Gesundheitsamt benannte medizinische Einrichtung: der Betrieb ist im Zweifel vorläufig zu schließen und die Arbeit in das Home-Office – soweit möglich – zu verlagern.
- Arbeit im Home-Office
Nicht alle, aber viele Arbeiten lassen sich nicht nur am Büroschreibtisch im Unternehmen, sondern auch von zu Hause aus erledigen. Häufig werden Mitarbeiter schon im Hinblick auf eigene Ängste gerne zustimmen, zur Verrichtung ihrer Arbeit zu Hause im Home-Office zu bleiben. Wenn sie es nicht tun, hängt es von dem Inhalt des einzelnen Arbeitsvertrages ab, ob der Arbeitgeber Arbeit im Home-Office anordnen darf. Insbesondere ist auf eine geeignete Versetzungsklausel zu achten und bei Bestehen eines Betriebsrats ist auch an ein mögliches Beteiligungsrecht des Betriebsrates im Zusammenhang mit Versetzungen zu denken. - Angst vor Bus und U-Bahn – die Mitarbeiter wollen nicht an den Arbeitsplatz pendeln
Was ist im umgekehrten Falle, wenn Mitarbeiter sich weigern, sich den mehr oder weniger akuten Infektionsrisiken im öffentlichen Personennahverkehr auszusetzen? Hier wird es arbeitsrechtlich schwierig für den Mitarbeiter: Im Zweifel kann – außer im Bereich erklärter Risikoregionen – der Arbeitgeber verlangen, dass der Mitarbeiter seinen Dienst im Unternehmen antritt. - China, Lombardei, Heinsberg – Anordnung von Dienstreisen in „gefährliche“ Regionen?
Natürlich darf der Arbeitgeber nicht seine persönlichen Risikovorstellungen allen anderen Interessen überordnen, umgekehrt muss auch nicht jeder Panikmache nachgegeben werden. Dienstreisen in vom Robert-Koch-Institut ausgewiesene Risikogebiete (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html) wird der Arbeitgeber derzeit nicht anordnen können. Umgekehrt kann ein Mitarbeiter aber auch nicht unter Berufung auf „Corona“ unliebsame Dienstreisen in nicht ausgewiesene Risikoregionen verweigern. - Meine Kunden lassen meine Mitarbeiter nicht in den Betrieb – was tun?
Es mehren sich die Fälle, in denen Kunden oder Geschäftspartner Mitarbeiter des Arbeitgebers nicht in ihren Betrieb lassen, weil sie aus (tatsächlich oder vermeintlich) risikobehafteten Regionen kommen. Hier greifen die Grundsätze des Betriebsrisikos, das grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen hat: Können Mitarbeiter wegen Weigerungen von Geschäftspartnern und Kunden nicht beschäftigt werden, berührt dies die Vergütungsansprüche der Mitarbeiter nicht. - Jetzt sperre ich ganz zu – Betriebsurlaub?
Wird die Geschäftstätigkeit durch umfassendere Maßnahmen in der Region bzw. beim Kunden, oder wegen Engpässen oder Ausfällen bei der Zulieferung von benötigten Teilen oder Rohmaterialien, erheblich oder vollständig unmöglich gemacht, liegt die Anordnung von Betriebsurlaub nahe. Wirksam angeordneter Betriebsurlaub verringert die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter – hilft also, Kosten zu sparen. Da der gesetzliche Urlaub als Erholungsurlaub gedacht ist, darf die Anordnung von Betriebsurlaub jedoch nicht dazu führen, dass Mitarbeitern die Nutzung des eigentlichen Jahresurlaubs als Erholungsurlaub, der bereits beantragt und genehmigt ist, unmöglich gemacht wird.Der Arbeitgeber muss aber Betriebsurlaub unter normalen Umständen rechtzeitig anordnen, also mit einem angemessenen zeitlichen Vorlauf. Dies wird im Fall des Coronavirus nur schwer möglich sein. Vorzugswürdig ist deshalb, wo möglich, eine einvernehmliche Regelung mit den Mitarbeitern – und in Betrieben mit Betriebsrat natürlich unter Beteiligung des Betriebsrats.
- Ein Plus für die Unternehmen: Nutzung von Zeitkonten und Minusstunden
Erleichterte Möglichkeiten, die Kosten des durch das Coronavirus beeinträchtigten Geschäftsbetriebs zu reduzieren, haben Unternehmen mit einem Zeitkontensystem. Hier ist die Anordnung einer Freistellung zur Verringerung von Plusstunden – vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in Arbeitsverträgen oder etwaigen Betriebsvereinbarungen – unproblematisch möglich. Abhängig von der konkreten Regelung ist sogar die Freistellung mit der Folge von Minusstunden möglich. - Kurzarbeit
Kurzarbeit und damit verbunden die Beantragung von Kurzarbeitergeld bei der zuständigen Arbeitsagentur kann ein taugliches Mittel sein, um die Kosten von Freistellungen und Arbeitszeitreduzierungen zu begrenzen. Die Generaldirektion Baden-Württemberg der Agentur für Arbeit hat bereits festgestellt, dass ein Arbeitsausfall, der aufgrund oder infolge des Coronavirus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eintritt, die Nutzung von Kurzarbeit begründet, weil im Regelfall ein unabwendbares Ereignis vorliegt bzw. wirtschaftliche Gründe im Sinnes des § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III bestehen. Abhängig von den tariflichen, betrieblichen und auch arbeitsvertraglichen Regelungen sollte dieses Instrument nicht vergessen werden. - Antizyklisch: Überstunden anordnen?
Oft geht es nicht darum Mitarbeiter nach Hause zu schicken, sondern sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus im Unternehmen zu halten, weil Kollegen ausfallen. Das Recht, Überstunden und Mehrarbeit anzuordnen, bestimmt sich nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Jedenfalls wird ein entsprechendes Anordnungsrecht des Arbeitgebers bestehen, wenn ein Kollege ausfällt und dadurch ein Notfall eintritt. - Nicht den Betriebsrat vergessen!
Auch wenn viele Rechtsfragen gesetzlich oder durch den einzelnen Arbeitsvertrag geregelt sind, dürfen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht außer Acht gelassen werden. Im Gegenteil: Die Herausforderungen an die Unternehmen sind ein Anlass, die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu nutzen und diese einzufordern. Beteiligungsrechte des Betriebsrats bestehen insbesondere bei der Anordnung von Urlaub und Betriebsurlaub, bei Einführung von Kurzarbeit oder sonstigen abweichenden betrieblichen Arbeitszeiten sowie einzelvertraglich bei der personellen Einzelmaßnahme, wenn eine Anordnung zum Beispiel von Arbeit im Home-Office als Versetzung im Sinne von § 99 BetrVG zu qualifizieren ist. Betriebliche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes (Hygieneanordnungen o.ä.) sind, soweit sie nicht lediglich die gesetzlichen Vorgaben wiederholen, Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 BetrVG. Da es in der Corona-Krise typischerweise sehr schnell geht, sollte das Mittel der Regelungsabrede als Alternative zur ausführlich verhandelten schriftlichen Betriebsvereinbarung nicht aus dem Blick verloren werden.Sprechen Sie uns an, wenn Sie vertiefte Fragen haben oder wir Sie bei Maßnahmen und deren Ausgestaltung unterstützen können. Und natürlich begleiten wir Sie gerne später bei der Aufarbeitung der Erfahrungen, insbesondere durch Ausarbeitung von Regelungen, die Flexibilität (Zeitkonten) oder Sparpotenzial (Kurzarbeit) verbessern.
Bleiben Sie gesund!
Die Arbeitsrechtler der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei RITTERSHAUS.
Den vollständigen Newsletter März 2020 können Sie hier einsehen: Newsletter Arbeitsrecht März 2020 (PDF)
Bei Fragen sprechen Sie uns jederzeit gerne an.
Dr. Andreas Notz, Mannheim
Dr. Annette Sättele, Mannheim
Prof. Dr. Ulrich Tödtmann, Mannheim
Jörg Döhrer, Frankfurt
Nadja Hartmann, Frankfurt
Eler von Bockelmann, München