Beendigung der wesentlichen gesetzlichen Pandemie-Maßnahmen mit zeitgleichen Infektionshöchstständen – dies bedeutet für die meisten Arbeitgeber, dass sie mit den dieses Wochenende in den meisten Bundesländern auslaufenden Übergangsbestimmungen selbst über Regelungen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen entscheiden müssen.
Für die Betriebe hat der Politikwechsel oft ungeahnte Folgen
Ob Maskenpflicht oder 3G-Erfordernis zum Betreten von Betrieben und Geschäften, ab diesem Wochenende kann sich ein Unternehmen, kann sich ein Arbeitgeber nicht mehr auf eine gesetzliche Vorgabe stützen. Der Gesundheitsminister bittet um freiwillige Aufrechterhaltung von bislang gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und 3G, die gesetzliche Grundlage für damit verbundene Maßnahmen, zum Beispiel als gesetzliche Begründung für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen der DSGVO, entfällt jedoch. Was tun?
Im Bereich des sogenannten „Basisschutzes“ und auch in besonderen Schutzbereichen, insbesondere also im Gesundheitswesen, bestehen für die Arbeitgeber noch weitgehend klare gesetzliche Regelungen. In der weit überwiegenden Zahl der Unternehmen und Betriebe jedoch ist es die Aufgabe jedes einzelnen Unternehmens, jedes einzelnen Arbeitgebers, eine individuelle Risikobeurteilung vorzunehmen und daraus für das eigene Unternehmen, für den eigenen Betrieb passende und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Dies gilt namentlich auch im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach der sog. Corona-Arbeitsschutzverordnung: Auch im Rahmen einer bis Ende Mai befristeten Übergangsregelung kann sich der Arbeitgeber bei der Auswahl gefahrenmindernder Maßnahmen nicht mehr auf gesetzliche Vorgaben stützen und verlassen, sondern muss eine eigene, begründete Gefährdungsbeurteilung vornehmen und daraus für ihn taugliche Maßnahmen ableiten.
Verschiedenste Herausforderungen
DATENSCHUTZ?
Bisher aufgrund gesetzlicher Vorgaben statthafte Datenverarbeitungen, zum Beispiel das Erheben und Speichern eines Impfstatus oder Testergebnisses, sind somit nicht mehr ohne weiteres gestattet.
WEISUNGSRECHT?
Eine Arbeitsanweisung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, zur Durchführung von Tests, etc. ist nicht mehr gesetzlich vorgegeben, sondern muss im Rahmen des Abgleiches von Direktionsrecht des Arbeitgebers und Grundrechten des Arbeitnehmers bewertet werden. Eine generelle Maskenpflicht in Betrieben muss das Ergebnis einer individuellen Prüfung und Beurteilung sein, die auch von den konkreten Bedingungen am Arbeitsplatz, zum Beispiel einer dort vorhandenen Belüftung oder einer mehr oder weniger gegebenen räumlichen Enge abhängig ist.
Als Inhaber des Hausrechts kann ein Arbeitgeber sicherlich Vorgaben wie Maskenpflicht oder 3G-Erfordernis treffen. Ist ein Arbeitnehmer mit einer solchen Anordnung jedoch nicht einverstanden, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer, verweigert er seine Leistung wegen der ihm nicht genehmen Vorgaben, gegen seine Arbeitspflicht verstößt oder der Arbeitgeber umgekehrt in Annahmeverzug gerät, d.h. das Entgelt zahlen muss, obwohl der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erschienen ist.
Und die BESUCHER UND DIENSTLEISTER?
Noch kritischer wird es für externe Besucher: Wie sieht es mit ungeimpften, nicht aktuell getesteten, nicht maskentragenden Mitarbeitern von Dienstleistern aus, die eine vereinbarte Dienstleistung nicht mehr erbringen können? Und last but not least:
WIEDERAUFLEBEN DER ZWINGENDEN MITBESTIMMUNG!
War bislang das Mitbestimmungsrecht eines bestehenden Betriebsrates aufgrund gesetzlicher Vorgaben in der Regel weitgehend ausgeschlossen, so lebt es jetzt in verschiedenen Aspekten als erzwingbares Mitbestimmungsrecht wieder auf. Und das heißt: Ohne verbindliche Vereinbarung mit dem Betriebsrat darf ein Arbeitgeber keine Maßnahmen zur Sicherung des betrieblichen Gesundheitsschutzes einseitig vorgeben.
Freiwilligkeit schafft Handlungsbedarf!
Gleich wie man zu den dem Infektions- und Pandemieschutz dienenden gesetzlichen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes und des Landesrechts steht, gleich ob man einen Vorrang der persönlichen Freiheiten jedes einzelnen bejaht oder nicht, für die Betriebe ist die neue Situation rechtlich und praktisch äußerst schwierig und vor allen Dingen streitträchtig. Denn der auf Wunsch der Politik „freiwillige Infektionsschutz“ bedeutet vor allem eines: Unsicherheit über die konkrete und richtige Umsetzung. An vielen Stellen wird sich ein vernünftiges und untereinander rücksichtsvolles Verhalten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erfolgreich fort- und durchsetzen, in nicht wenigen Betrieben ist jedoch durchaus mit einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens zu rechnen. Nur eines ist in jedem Fall sicher: Der Wegfall der verbindlichen gesetzlichen Vorgaben lässt nicht sämtliche Handlungspflichten für die Arbeitgeber entfallen. Vielmehr sind die Arbeitgeber in der Pflicht, eigene betriebliche Regelungen – wo vorhanden mit dem Betriebsrat – zu schaffen.
Für weitere Fragen zum Thema oder zum Arbeitsrecht im allgemeinen stehen Ihnen unsere Arbeitsrechtler der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei RITTERSHAUS gerne zur Verfügung.
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