I. Relevanz des LkSG für kleinere Unternehmen
Es stellt einen verbreiteten Irrtum dar, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nur für größere Unternehmen praktische Bedeutung hat. Tatsächlich werden auch kleinere Unternehmen spätestens dann mit den Anforderungen des LkSG konfrontiert, wenn sie in Zukunft Aufträge von größeren Unternehmen annehmen wollen. Denn nach dem LkSG müssen Auftraggeber von ihren unmittelbaren Zulieferern eine vertragliche Zusicherung einholen, dass sie menschenrechtliche und umweltbezogene Erwartungen „entlang der Lieferkette“ angemessen berücksichtigen. Größere Auftraggeber werden daher ab dem 1. Januar 2023 nur noch solche Unternehmen beauftragen (können), die eine derartige Versicherung für ihre Lieferkette abgeben können und Kontrollen akzeptieren. Allen Unternehmen, die in Zukunft für derartige größere Unternehmen tätig werden wollen, ist daher dringend zu empfehlen, sich frühzeitig mit den Sorgfaltspflichten nach dem LkSG zu beschäftigen und sich auf zukünftige Anforderungen seitens ihrer Auftraggeber vorzubereiten.
II. Wie groß müssen die Auftraggeber sein, damit entlang der Lieferkette Sorgfaltspflichten nach dem LkSG eingehalten werden müssen?
Das LkSG findet unmittelbare Anwendung auf alle Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und hier einschließlich ihrer verbundenen Unternehmen mindestens 3.000 Arbeitnehmer (ab 1. Januar 2024: 1.000 Arbeitnehmer) beschäftigen. Das Gesetz gilt auch für ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung im Inland, wenn diese eine entsprechende Zahl von Arbeitnehmern hier beschäftigen.
Unternehmen, die diese Schwellenwerte überschreiten, müssen von ihren Zulieferern eine vertragliche Zusicherung verlangen, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Erwartungen entlang der Lieferkette eingehalten werden und müssen die Einhaltung durch angemessene Kontrollmaßnahmen überprüfen.
III. Um welche Menschenrechte und Umweltpflichten geht es?
Das LkSG enthält in § 2 eine detaillierte Liste mit den relevanten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Pflichten. Nachfolgend sind die wesentlichen Pflichten zusammengefasst:
Menschenrechtsbezogene Pflichten:
- Verbot von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Sklaverei,
- Verbot der Verletzung von Regelungen zur Arbeitssicherheit,
- Verbot des Verstoßes gegen die Koalitionsfreiheit,
- Verbot der Diskriminierung am Arbeitsplatz,
- Verbot des Vorenthaltens des angemessenen Lohns (mindestens: Mindestlohn),
- Verbot der Schädigung von natürlichen Lebensgrundlagen,
- Verbot von Zwangsräumung,
- Verbot von Folter und Verletzung von Leib und Leben etc. durch Sicherheitskräfte.
Umweltbezogene Pflichten:
- Verbot der Herstellung, Verwendung oder Behandlung von Quecksilber entgegen dem Minamata Übereinkommen vom 10. Oktober 2013,
- Verbot der Produktion und Verwendung von Chemikalien nach dem Stockholmer Übereinkommen vom 23. Mai 2001 über persistente organische Stoffe,
- Verbot der Ein- und Ausfuhr gefährlicher Abfälle im Sinne des Basler Übereinkommens vom 22. März 1989.
IV. Wozu verpflichtet das LkSG?
Ein Unternehmen, auf das das LkSG anwendbar ist, hat in seinen Lieferketten die im LkSG definierten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten und etwaige menschenrechts- und umweltbezogene Risiken und Verletzungen zu minimieren bzw. zu beenden. Im Einzelnen umfassen diese Sorgfaltspflichten insbesondere:
- Einrichtung eines Risikomanagements,
- Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen,
- Bei Feststellung von Risiken: Ergreifung angemessener Präventionsmaßnahmen, u.a. Abgabe einer Grundsatzerklärung über seine Menschenrechtsstrategie,
- Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (unter Umständen: Beendigung von Geschäftsbeziehungen),
- Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, über das auch Dritte Hinweise auf Pflichtverletzungen in der Lieferkette melden können.
V. Welche Sanktionen drohen?
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überwacht die Einhaltung des LkSG und kann Anordnungen erlassen. Unternehmen, auf die das LkSG Anwendung findet, drohen bei Verstößen gegen das LkSG erhebliche Bußgelder von bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Rechtskräftige Bußgeldentscheidungen können zudem einen Ausschluss des Unternehmens von der Vergabe öffentlicher Aufträge nach sich ziehen.
VI. Folgen für kleinere Unternehmen, insbesondere Bauträger
Kleinere Unternehmen, die ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen tätig werden wollen, auf die das LkSG Anwendung findet, sollten sich frühzeitig mit den Sorgfaltspflichten nach dem LkSG beschäftigen, um die Erwartungen ihrer zukünftigen Auftraggeber hinsichtlich der Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette einhalten zu können. Im Einzelnen sollten Bauunternehmen sich vor allem mit folgenden Fragen beschäftigen (die Liste ist nicht abschließend):
- Überprüfung der eigenen Zulieferer: Aus welchen Ländern stammen die üblicherweise zugekauften Produkte (z.B. Baumaterialien)? Sind in diesen Ländern die oben genannten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Pflichten gesetzlich verankert?
- Sind alle Zulieferer bekannt? Halten die eigenen Zulieferer sowie deren Subunternehmer entlang der Lieferkette die oben genannten menschenrechts- und umweltbezogenen Pflichten ein? Werden die jeweils vorgeschriebenen Mindestlöhne tatsächlich gezahlt? Werden die Regeln zum Arbeitsschutz eingehalten?
- Enthalten die Produkte Quecksilber oder ist es zu deren Herstellung erforderlich? Falls ja: Sind die Anforderungen des Minamata Übereinkommens vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber (BGBl. 2017 II, S. 610, 611) seitens der Zulieferer entlang der (eigenen) Lieferkette erfüllt?
- Verwenden die (eigenen) Zulieferer bei der Produktion Chemikalien nach Artikel 3 Abs. 1 lit. a und Anlage A des Stockholmer Übereinkommens vom 23. Mai 2001 über persistente organische Schadstoffe (BGBl. 2002, II S. 803, 804) (POPs-Übereinkommen)? Falls ja: Werden die dazu in Europa geltenden Regelungen eingehalten? Werden Abfälle gemäß diesem Übereinkommen ordnungsgemäß behandelt?
- Ist sichergestellt, dass die (eigenen) Zulieferer entlang der Lieferkette gefährliche Abfälle gemäß dem Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung vom 22. März 1989 (BGBl. 1994, II S. 2703, 2704) behandeln?
- Möglichst schon vor Beginn der Verhandlungen mit einem potentiellen Auftraggeber sollte die vom potentiellen Auftraggeber veröffentlichte Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie beschafft werden. Aus dieser Grundsatzerklärung ergibt sich, welche spezifischen Sorgfaltspflichten der potentielle Auftraggeber erwartet. Dies ermöglicht es dem Auftragnehmer, sich frühzeitig auf die zu erwartenden Anforderungen des potentiellen Auftraggebers vorzubereiten.
Für alle Fragen stehen Ihnen Dr. Daniel Berg (daniel.berg@rittershaus.net), Dr. Milena Charnitzky (milena.charnitzky@rittershaus.net) und Dr. Christoph Rung (christoph.rung@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.
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