Die Übertragung des sog. Familienheims ist erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigt, allerdings an einige nicht zu unterschätzende Bedingungen geknüpft. Neben dem Erfordernis der „unverzüglichen“ Bestimmung des Familienheims zur Selbstnutzung ist auch der bei Erwerben von Todes wegen geltende „Nachsteuervorbehalt“ zu beachten. Der vorliegende Beitrag stellt vor diesem Hintergrund die entsprechenden Regelungen zur erbschaft- und schenkungsteuerlichen Steuerbefreiung des Familienheims sowie die in der jüngeren Vergangenheit dazu ergangene Rechtsprechung ausgewählter Finanzgerichte dar. Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof abschließend zu diesen Fragen positioniert.
A. Grundzüge zur erbschaftsteuerlich begünstigten Übertragung des Familienheims
Der Übergang eines selbstgenutzten Familienheims ist erbschaft- und schenkungsteuerlich privilegiert. Die Vorschrift unterscheidet zwischen dem Familienheimerwerb unter lebenden Ehegatten, dem Familienheimerwerb von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten und dem Familienheimerwerb von Todes wegen durch Kinder.
Als Familienheim gilt gleichermaßen ein im Inland bzw. im EU-/EWR-Raum belegenes Grundstück, soweit darin zumindest ein Haus oder eine Wohnung tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass das Familienheim den Mittelpunkt des familiären Lebens bildet. Dementsprechend sind sog. Zweit-, Ferien- und Wochenendwohnungen nicht begünstigt. Bei detaillierter Betrachtung weisen die Befreiungsvorschriften allerdings erhebliche Unterschiede auf. Denn der Gesetzgeber unterscheidet zum einen zwischen Erwerben von Todes wegen und Schenkungen zu Lebzeiten sowie zum anderen dahingehend, wer Empfänger des Familienheims geworden ist.
- So setzt die lebzeitige Übertragung eines Familienheims zwischen Ehegatten lediglich voraus, dass im Zeitpunkt der Steuerentstehung ein Haus oder eine Wohnung gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Im Nachgang kann die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken allerdings jederzeit ohne steuerliche Nachteile aufgegeben werden, da die Begünstigung nicht an eine Behaltensfrist gebunden ist.
- Die Vorschriften zur Übertragung des Familienheims von Todes wegen sind dagegen deutlicher enger gefasst. In diesem Zusammenhang wird verlangt, dass der Erblasser bis zu seinem Tod eine Wohnung oder ein Haus zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und dass dieses Heim beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Zudem fällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (sog. „Nachsteuervorbehalt“). Beim Erwerb von Todes wegen durch Kinder wird zusätzlich verlangt, dass die Wohnfläche der Immobilie 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Ist die Immobilie des Erblassers größer, bleibt der Grundstückserwerb der Kinder insoweit erbschaftsteuerpflichtig.
B. Ausgewählte anhängige Verfahren, die zur Entscheidung durch den Bundesfinanzhof ausstehen
Die Finanzgerichte vertreten in Bezug auf den bei Erwerben von Todes wegen zu beachtenden „Nachsteuervorbehalt“ und das Erfordernis der „unverzüglichen“ Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken aktuell nicht nur sehr restriktive Auffassungen – bedauerlicherweise bestätigen sie mit diesem Verständnis auch die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung.
So verlangt die Finanzverwaltung für die Unschädlichkeit der Aufgabe der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken „objektiv zwingende Gründe“, was z.B. im Fall des Todes oder im Fall einer Pflegebedürftigkeit gegeben sein soll. Eine zwingende subjektive Unmöglichkeit für eine Aufgabe der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken wird dagegen nicht anerkannt – denken könnte man in diesem Zusammenhang an Fälle, in denen aufgrund eines Unfalls mit notwendiger anschließender Rollstuhlbenutzung eine in einem höheren Stockwerk gelegene Wohnung nicht durch einen Aufzug erreichbar ist oder an finanzielle Gründe (z.B. bei Übernahme eines Hauses, dessen Unterhaltung die finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt). Zudem muss in der erworbenen Wohnung unverzüglich (d.h. „ohne schuldhaftes Zögern“) die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufgenommen werden.
Im Folgenden sollen einige Urteile der Finanzgerichte aus den letzten Jahren, die aktuell noch beim Bundesfinanzhof zur höchstrichterlichen Entscheidung ausstehen, exemplarisch dargestellt werden. Aus Sicht der Steuerpflichtigen bleibt zu hoffen, dass sich der Bundesfinanzhof der Auffassung der Finanzverwaltung nicht anschließt.
1. FG Düsseldorf v. 8.1.2020, 4 K 3120/18 Erb (anhängig beim BFH: II R 18/20)
In diesem Fall war es streitig, wann der Erwerber wirklich aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.
Sachverhalt:
Die Klägerin war die Tochter des Erblassers. Der Erblasser war Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut war und das er bis zu seinem Tod gemeinsam mit der Klägerin bewohnte. Aufgrund des Todes des Erblassers wurde die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt. Da sie das Obergeschoss des Wohnhauses weiterhin zu Wohnzwecken nutzte, machte sie in der Erbschaftsteuererklärung die Steuerbefreiung für ein Familienheim geltend. Ungefähr sieben Jahre nach dem Erbfall zog die Tochter aus dem Wohnhaus aus, da dieses auf Grund vieler Mängel nicht mehr bewohnbar gewesen sei und deshalb abgerissen wurde. Ferner hatte sie vor einigen Jahren zwei Bandscheibenvorfälle erlitten und war deshalb nicht mehr in der Lage gewesen, das zu Wohnzwecken genutzte Obergeschoss über das Treppenhaus zu erreichen.
Entscheidung:
Nach Ansicht des Finanzgerichts war die Tochter nicht aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Zum einen sind der Auszug der Tochter aus dem Haus wegen der Mängel und der nachfolgende Abriss des Gebäudes keine zwingenden, sondern allenfalls nachvollziehbare Gründe, die die Tochter zum Auszug bewogen haben. Zum anderen hätte es – da die Tochter u.a. regelmäßig durch einen Bekannten versorgt wurde und somit mit Unterstützung dieses Bekannten weiterhin die Wohnung im Obergeschoß des Hauses hätte nutzen können – einer Aufgabe der Selbstnutzung des Wohnhauses aus zwingenden Gründen nicht bedurft.
2. FG Münster v. 10.12.2020, 3 K 420/20 Erb (anhängig beim BFH: II R 1/21)
Hier war ebenfalls strittig, ob die Klägerin die Steuerbefreiung für ein Familienheim trotz ihres Auszugs aus dem Objekt beanspruchen kann.
Sachverhalt:
Die Klägerin beerbte ihren verstorbenen Ehemann zur Hälfte. Zu ihrem Erwerb von Todes wegen gehörte auch das hälftige Miteigentum an einem Einfamilienhaus, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt hatte und nach dessen Tod zunächst auch weiterhin bewohnte. Ungefähr ein Jahr nach dem Erbfall veräußerte die Klägerin das Einfamilienhaus und zog in eine Eigentumswohnung. Ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung ihres behandelnden Arztes litt sie unter Angstzuständen und emotionalen Belastungen, welche durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses aggraviert würden. Ein weiteres Leben dort sei aus medizinischer Sicht nicht angebracht, da andererseits weitere psychische Folgeschäden drohten.
Entscheidung:
Nach Ansicht des Finanzgerichts führt eine Depressionserkrankung – auch wenn diese durch den Umstand hervorgerufen wurde, dass der Ehemann in dem Familienheim verstorben war – nicht dazu, dass der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken gehindert sei. Denn als „zwingende Gründe“ sollen nur solche Gründe in Betracht kommen, die das Führen eines Haushalts schlechthin und damit nicht nur im Familienheim unmöglich machen. Der Umzug in eine Eigentumswohnung zeige jedoch, dass es der Klägerin generell nicht unmöglich sei, einen eigenen Haushalt zu führen.
3. FG Düsseldorf v. 10.3.2021, 4 K 2245/19 Erb (anhängig beim BFH: II R 6/21)
Streitgegenstand dieses Falles war die Frage, ob die vom Erblasser genutzte Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt wurde.
Sachverhalt:
Die Erblasserin hinterließ ein Zweifamilienhaus, in welchem sie eine Wohnung selbst und ihre Tochter die andere Wohnung nutzten. Die Erblasserin verstarb im Juli 2016 und wurde von ihrer Tochter alleine beerbt, diese zog allerdings erst Anfang 2018 in die bis dahin von ihr renovierte Wohnung der Erblasserin um. Die Tochter wendete sich mit ihrer Klage gegen das Finanzamt, welches die Steuerbefreiung für das selbst genutzte Familienheim nicht berücksichtigte.
Entscheidung:
Nach Ansicht des Finanzgerichts habe die Tochter die Wohnung des Erblassers nicht unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt. Denn der Begriff „unverzüglich“ setzte voraus, dass der Erbe binnen einer angemessenen Zeit nach dem Todesfall die Absicht zur Selbstnutzung der Wohnung fasst und den Entschluss durch Einzug tatsächlich umsetzt. Die bloß subjektive Absicht der Selbstnutzung soll dafür ebenso wenig ausreichen wie die Durchführung reiner Vorbereitungshandlungen, zum Beispiel von Renovierungsarbeiten.
Deshalb muss der Erwerber in Fällen, in denen die Selbstnutzung der Wohnung erst später als sechs Monate nach dem Tod des Erblassers erfolgt, glaubhaft machen, wann er sich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, inwiefern der Einzug faktisch nicht früher möglich war und weshalb er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Im konkreten Fall wurde der Tochter aber angelastet, dass sie mit dem Ausräumen der Wohnung kein Unternehmen beauftragt und Handwerker nicht früher mit der Erstellung von Angeboten beauftragt habe bzw. – wegen des bekannten Mangels an Handwerkern – nicht Angebote mehrerer Handwerker eingeholt hatte.
4. (Ernüchterndes) Zwischenfazit
Beim Übergang des Familienheims von Todes wegen ist die Aufgabe der Wohnung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb – sei es aus Gründen einer Renovierungsbedürftigkeit der Immobilie oder aus persönlichen Gründen – stets mit erheblichen Nachsteuerrisiken behaftet ist. Ferner kann ein zu langes Warten im Zusammenhang mit dem Ausräumen der Wohnung und/oder Zögern im Zusammenhang mit der Einholung von Angeboten durch Handwerker zu einer Versagung der Familienheimbegünstigung führen – denn so groß die Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen auch sein mag: Das Finanzgericht besteht darauf, dass quasi umgehend nach dem Todesfall die ersten Angebote eingeholt werden.
Als rechtlich abgesichert kann demnach gewissermaßen nur die Finanzverwaltungsauffassung gelten, wonach die vorzeitige Aufgabe der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken zu keiner Nachsteuer führt, falls diese aufgrund des Todes oder einer Pflegebedürftigkeit erfolgt. Sofern der Auszug aus dem Familienheim aber aus persönlichen Gründen (z.B. körperliche Einschränkungen, Depressionen) erfolgt, will die Finanzverwaltung von einem erbschaftsteuerlich beachtlichen Verstoß ausgehen.
C. Handlungsoptionen für den Steuerpflichtigen
Von daher ist der Erwerb eines Familienheims im Erbwege mit nicht zu unterschätzenden Steuer(nachzahlungs)risiken verbunden. Zum Schutz des erbenden Ehegatten oder der Kinder sind daher Ausweichgestaltungen bereits zu Lebzeiten in Betracht zu ziehen.
Denkbar erscheint zum einen die schenkweise Übertragung des Familienheims auf den anderen Ehegatten, da es in diesem Zusammenhang keine Behaltensfristen gibt. Zur Absicherung des Risikos, dass der beschenkte Ehegatte vorzeitig verstirbt, kann dem zuwendenden Ehegatten ein Rückforderungsrecht eingeräumt werden.
Alternativ könnte auch in Betracht gezogen werden, das Familienheim schenkweise unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs auf die eigenen Abkömmlinge zu übertragen. Zwar ist die lebzeitige Übertragung des Familienheims auf Kinder nicht von der Steuerbefreiung für das Familienheim erfasst. Da der Wert des Nießbrauchsrechts bei den beschenkten Kindern allerdings wertmindernd berücksichtigt werden kann, könnten für diese Übertragung die Freibeträge ggf. ausreichen. Ferner kommen die künftigen Wertsteigerungen bereits vollumfänglich den Kindern zugute.
Für Ihre Rückfragen stehen Ihnen Steuerberater Hendrik Grosse und Steuerberater Christoph Hübner jederzeit gerne zur Verfügung.