Deutschland ist eine der reichsten Nationen der Welt. 400 Milliarden Euro werden nach neuesten Studien des DIW jährlich vererbt. Ein Blick in die Erbschaftsteuerstatistik zeigt, dass es inzwischen auch in der „Mitte der Gesellschaft“ immer häufiger um größere Einzelvermögen geht. Sieben-, ja achtstellige Werte sind keine Seltenheit mehr. Steuervermeidung steht damit bei den Planzielen zwangsläufig ganz oben. Das gilt – völlig zu Recht – insbesondere für mittelständische Familienunternehmen. Das hochkomplexe Erbschaftsteuerrecht bedroht das über Jahrzehnte und Generationen gewachsene Familienvermögen. Dies gilt umso mehr als der deutsche Mittelstand (nicht nur in Niedrigzinszeiten) überwiegend in Immobilien, das eigene Unternehmen und sonstige Sachwerte investiert. Ausreichend Liquidität für Steuerzahlungen ist häufig gar nicht vorhanden.
So verwundert es nicht, dass vor allem Steuerberater und steuerlich versierte Rechtsanwälte den Nachfolgemarkt unter sich aufgeteilt haben. Beraten wird aber in aller Regel nur die Übergebergeneration, die häufig „auf dem Reißbrett“ entscheidet, wer wann was erhalten soll. Die Gestaltungsprodukte, die dabei seit Jahren an die ratsuchende Klientel verkauft werden, gehen nicht selten an der komplexen Bedürfnissituation der betroffenen Familie vorbei: Verteilungsgerechtigkeit und Versorgungssicherheit, emotionale Gleichbehandlung im Umgang mit Patchworksituationen, Ehekrisen, Scheidungen und Asset Protection gegenüber Schwiegerkindern, behinderte und verschuldete Nachkommen oder einfach „nur“ die Wahrung des Familienfriedens – der Strauß ist groß und immer höchstindividuell.
Kautelarjuristen haben für jedes Feld beeindruckende Standards entwickelt. Dauerhafte Lösungen, die die Bedürfnisse möglichst aller Stakeholder befriedigen, müssen aber erarbeitet werden. Von allen gemeinsam. Die erfolgreiche Nachfolge ist keine zwangsläufige Folge einer steueroptimierten Lösung, eines ausgefeilten Gesellschaftervertrages, einer effizienten Holdingstruktur oder auch eines hieb- und stichfesten Testaments. Der gemeinsame Prozess, das Ringen und Verstehen ist die Basis, auf der der Generationenwechsel wirklich nachhaltig gelingt. Die dabei auftretenden Konflikte sind gewünscht – der Berater tut gut daran, sie (kontrolliert) sichtbar zu machen. Konflikte sollten nicht vermieden werden. In ihnen steckt – beim richtigen Umgang – unglaubliches, kreatives Potential.
Viele (Unternehmer-)Familien leben in der traditionsinduzierten Konsensfiktion, man sei sich über den „Nachfolgeplan“ einig. Häufig heißt es: Jede Generation ist nur Treuhänder für die nächste – der Fortbestand des Unternehmens und Familienvermögens als alles überstrahlender Topos. Die Bedürfnisse der Nachfolgegeneration nach Autonomie und eigener (unternehmerischer) Entfaltung außerhalb tradierter Wege werden dem häufig ebenso untergeordnet, wie auch der Wunsch der Übergeber nach Entlastung und Wertschätzung fürs Lebenswerk. Solch weiße Flecken auf der „Nachfolgelandkarte“ sind Sprengsätze, denn Steuer- und Rechtsberatung wird so zum eindimensionalen Werkzeug. Die vermeintlich schnelle und einfache „steueroptimale“ Lösung entpuppt sich kurze Zeit später als Bumerang. Dabei sollte inzwischen jeder Nachfolgeberater das Gesetz von Ashby kennen: Die Komplexität (des Generationswechsels) lässt sich nur durch eine erhöhte Varietät der Lösungen beherrschen. Statt zu vereinfachen, müssen Ambivalenzen und Unterschiede erkannt und akzeptiert werden. Sie lassen sich meist nicht auflösen – aber man kann einen guten Umgang damit finden.
Erfolgversprechend ist also ein geordneter Findungsprozess, in den Recht und Steuern als ein wesentlicher Aspekt der Nachfolge eingebettet werden. Ein Prozess, bei dem sich die Stakeholder aber auch mit allem anderen, was sie beim Gedanken an den Generationswechsel bewegt, einbringen können: Übergeber und Übernehmer, (geschiedene) Ehegatten, (Enkel-) Kinder – gesund, behindert, überschuldet, selbstständig oder noch abhängig – weichende Geschwister, „schwarze Schafe“, vielleicht sogar Familienfremde – der für das Familienunternehmen unverzichtbare leitende Angestellte, der Fremdgeschäftsführer. Langjährige Berater, der Steuerberater der Familie, der Haus- und Hofanwalt, sind Ressourcen für den Prozess. Strukturiert muss er sein, mit einem starken Prozesssteuerer – aber gleichzeitig variabel genug, um den Besonderheiten der Familiensituation gerecht zu werden. Und ergebnisoffen – nicht produktorientiert.
Das entspricht dem multidisziplinären, mediationsanalogen Beratungsansatz von RITTERSHAUS. Juristische, betriebswirtschaftliche und steuerliche Aspekte werden auf der Informationsebene ebenso aufgearbeitet, wie die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten visibel werden. Ein wesentlicher Prozessschritt ist – über die Erarbeitung von Individualinteressen hinaus – die wechselseitig, bedürfnisorientierte Zieldefinition der gesamten Familie, mit anderen Worten: Das Familieninteresse. Einmal manifestiert (in Familienunternehmen immer öfter in der Familiencharta) dient es als Leuchtturm im Wandlungsprozess. Das gemeinsam erarbeitete Grundgesetz der Familie öffnet den Blick für nachhaltige Lösungswege. Und letztlich werden alle nachgeordneten Umsetzungsschritte wie Gesellschafts- und Eheverträge, Testamente und Pflichtteilsverzichte, Unternehmensrestrukturierungen und Anteilsübergabe daran ausgerichtet.
Im Ergebnis steht ein von allen Familienmitgliedern mitgetragener, weil miterarbeiteter harmonischer Nachfolgeplan. Im unternehmerischen Mittelstand wird dies ergänzt durch die Synchronisation von Familien- und Unternehmensinteressen. Die Familie hat über den strukturierten Erarbeitungsprozess ihre Konsensfiktion durchbrochen, Konfliktpotential identifiziert und unter Berücksichtigung der Unterschiede und Ambivalenzen eine gemeinsame Lösung entwickelt. Da der Mediator beim interdisziplinären mediationsanalogen Beratungsansatz zugleich für Nachfolgefragen spezialisierter Rechtsanwalt und/oder Steuerberater ist, kann er die handwerklichen Fragen zu jedem Zeitpunkt des Prozesses optimal mit begleiten, ohne sie überzubetonen. Seine Kernaufgabe besteht in der strukturierten, gleichwohl flexibel an die jeweilige Familienkonstellation angepasste Prozessteuerung.
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Dr. Michael Kühn
Rechtsanwalt, Partner, CP-Anwalt
zertifizierter Mediator (Univ. Heidelberg),
zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)