Ein Entwurf der Bundesregierung vom 31. Juli 2019, der den fairen Wettbewerb durch mehrere Gesetzesänderungen deutlich fördern soll, durchläuft gerade das Gesetzgebungsverfahren. Es handelt sich um den erneuten Versuch, Missstände, die sich durch die Geltendmachung überhöhter Gebühren und das Abnötigen überzogener Vertragsstrafen durch sogenannte „Abmahnvereine“ herausgebildet haben, gezielter als bisher einzudämmen.
Ziel des Entwurfs eines „Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ ist es deshalb, insbesondere kleinere Unternehmen und Verbraucher im Bereich des Wettbewerbs gegen missbräuchliche Abmahnungen zu schützen, insbesondere bei geringfügigen Verstößen wegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet und bei Datenschutzverstößen. Im Bereich des Urheberrechts hat das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ aus dem Jahr 2013 die gewünschte Eindämmung unseriöser Praktiken im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen unzulässiges Filesharing bereits bewirkt. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Regelungen erheblichen Einfluss auf das zukünftige „Abmahnwesen“ und auf die gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen haben werden.
Die wichtigsten derzeit diskutierten Änderungen sind:
Erhöhte Anforderungen an die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen
- Mitbewerber dürfen andere Mitbewerber nur noch dann abmahnen, wenn sie tatsächlich Waren oder Dienstleistungen „in nicht unerheblichem Maße“ und „nicht nur gelegentlich“ vertreiben oder nachfragen. Damit sollen Scheinunternehmen von der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ausgeschlossen werden, deren einziges Ziel ist, andere Unternehmen abzumahnen und dadurch Gebühren „zu schinden“.
- Konnten bisher rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen, soll dies zukünftig nur noch möglich sein, wenn sie sogenannte „qualifizierte“ Wirtschaftsverbände sind und als solche in einer Liste eingetragen sind, die beim Bundesamt für Justiz (BfJ) geführt wird. Dafür ist Voraussetzung, dass die Verbände in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins geführt werden, dass dieser mindestens 75 Unternehmen als Mitglieder aufweist, dass der Verein seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen ist und ein Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat, dass er seine Aufgaben dauerhaft und wirksam verfolgt und seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend macht, um für sich aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen Gewinne zu erzielen, dass er seinen Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewährt und die für den Verein tätige Personen dürfen keine unangemessen hohen Vergütungen oder Zuwendungen erhalten.
Missbrauchsvermutungen
Um missbräuchliches Abmahnverhaltens besser in den Griff zu bekommen, sollen fünf Regelbeispiele formuliert werden, die eine Missbrauchsvermutung begründen. Hierzu zählen unter anderem:
- Die Geltendmachung der Ansprüche dient vorwiegend dazu, Aufwendungsersatzansprüche, Rechtsverfolgungskosten oder die Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu lassen (dies entspricht dem bisherigen § 8 Abs. 4 UWG)
- Die Geltendmachung einer erheblichen Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen des Mitbewerbers, sofern deren Anzahl außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftsfähigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko des außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt
- Festsetzung eines unangemessen hohen Gegenstandswertes
- Vereinbaren oder Forderung von erheblich überhöhten Vertragsstrafen
- Abfordern einer Unterlassungsverpflichtung, die erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Formale Anforderungen an die Abmahnung
In der Abmahnung sind Name und Firma des Abmahnenden, die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung, die Höhe und die Berechnungsweise des geltend gemachten Aufwendungsersatz-anspruchs und die behauptete Rechtsverletzung in klarer und verständlicher Sprache anzugeben.
Außerdem muss ein Hinweis erfolgen, in welchen Fällen der Anspruch auf Ersatz erforderlicher Aufwendungen ausgeschlossen ist (nämlich bei Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet; Verstöße gegen die DSGVO).
Begrenzung der Vertragsstrafe
Der Gesetzesentwurf benennt erstmals Kriterien für die Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe und limitiert diese auf EUR 1.000 in Fällen, in denen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt werden.
Gegenansprüche
Ist die Abmahnung unberechtigt oder entspricht sie nicht den formalen Anforderungen, hat das abgemahnte Unternehmen bzw. die Privatperson gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen.
Kein „fliegender Gerichtsstand“
Zukünftig soll der Abmahnende sich nicht mehr aussuchen können, wo er gegen den Wettbewerber gerichtlich vorgeht, falls dieser auf die Abmahnung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Zuständig ist vielmehr grundsätzlich ausschließlich das Gericht, in dessen Bezirk der Abgemahnte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hiervon sind nur selten einschlägige Ausnahmen formuliert, zum Beispiel wenn der Abgemahnte keinen Firmen- oder Wohnsitz im Inland hat; in diesen Fällen ist das Ge-richt des Bezirks, in dem die unlautere geschäftliche Handlung vorgenommen wurde, zuständig.
Das Gesetzgebungsverfahren soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Grundlegende Änderungen werden nicht erwartet, sind freilich niemals ganz auszuschließen.
Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte jederzeit an Rechtsanwalt Dr. Wolf-Henrik Friedrich unter wolf-henrik.friedrich@rittershaus.net.