Ein seit fast sieben Jahren währender Prozess biegt auf die Zielgerade ein. Die Reform des Stiftungszivilrechts soll noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode beschlossen werden. Der jüngst vorgelegte Regierungsentwurf (RegE) des Reformgesetzes wird mit seinen wesentlichen Neuerungen vorgestellt und eingeordnet.
Das Stiftungszivilrecht wird aktuell nicht nur im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 80 ff. geregelt. Neben den zahlreichen Verweisen in das Vereinsrecht (§§ 21 ff. BGB) existieren in jedem Bundesland unterschiedliche Stiftungsgesetze , die unterschiedliche Anforderungen an Stiftungen mit Sitz im Landesgebiet aufstellen. Hinzu kommt die sich daraus entwickelte Stiftungspraxis der Länder, die aus teilweise ähnlichen Vorschriften unterschiedliche Schlüsse gezogen hat.
Dies führt nicht nur zu Unsicherheiten bei der Anwendung des Stiftungsrechts, sondern auch zu wenig Rechtssicherheit bei unklaren Rechtsfragen. Aufgrund der Zersplitterung des Stiftungszivilrechts sind die wenigen existierenden gerichtlichen Entscheidungen oft nicht übertragbar, da landesrechtliche Vorschriften streitentscheidend waren.
Für den Rechtsanwender bedeutet das viel Abstimmungsaufwand mit der für ihn zuständigen Stiftungsbehörde und eine immerwährende Restunsicherheit im Alltag.
Diese Probleme sollen mit dem nun vorgelegten Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ gelöst werden.
Zeitliche Entwicklung
Der Regierungsentwurf, welcher am 3. Februar 2021 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, ist Produkt eines bereits seit dem Jahr 2014 währenden Prozesses zur Reform des Stiftungszivilrechts. Nach ersten Ansätzen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Jahr 2016 erarbeitete diese einen Diskussionsentwurf, der im Februar 2018 vorgelegt wurde. Auf den sogenannten „Professorenentwurf“ zur Stiftungsrechtsreform im März 2020 folgte im August 2020 der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz. Der Regierungsentwurf schließt unmittelbar an den Referentenentwurf an und modifiziert diesen in einigen wesentlichen Punkten.
Der Regierungsentwurf soll noch in der laufenden Legislaturperiode das Parlament passieren. Es ist vorgesehen, die neue Rechtslage zum 1. Juli 2022 in Kraft treten zu lassen. Das neu einzuführende Stiftungsregister soll erst zum 1. Januar 2026 in Betrieb genommen werden.
Wesentliche Inhalte des Regierungsentwurfs
1. Stiftungsregister
Anstelle der in vielen Ländern bereits existierenden Stiftungsverzeichnisse soll ein zentrales, vom Bundesministerium für Justiz zu führendes, Stiftungsregister eingeführt werden. Darin sind alle rechtsfähigen Stiftungen – auch die heute bereits bestehenden Stiftungen – einzutragen. Im Register werden wesentliche Informationen wie Name, Sitz, Datum der Anerkennung der Stiftung, Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Wohnort und Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder der Stiftung und spätere Satzungsänderungen aufgeführt. Eingetragene Stiftungen erhalten einen Namenszusatz „e.S.“.
Für das Stiftungsregister sieht der RegE ein eigenes Gesetz vor: das Stiftungsregistergesetz (StiftRG-RegE). Daneben enthalten die §§ 80 ff. BGB-RegE Regelungen zu eintragungspflichtigen Vorgängen.
Das Stiftungsregister hat Publizitätswirkung, die Eintragung wirkt aber nur deklaratorisch. Das heißt, dass beispielsweise die Ernennung eines neuen Vorstandsmitglieds zu seiner rechtlichen Wirksamkeit nicht der Eintragung bedarf, die Stiftung sich aber auf die Vertretung durch dieses Vorstandsmitglied gegenüber Dritten im Geschäftsverkehr nur berufen darf, wenn die Ernennung auch eingetragen ist. Die Eintragung eines Vorstandsmitglieds lässt auch die bislang notwendige Beantragung von Vertretungsbescheinigungen bei der Stiftungsbehörde des Landes entfallen. Die Vertretungsmacht wird durch den Eintrag im Stiftungsregister nachgewiesen.
Die Einsicht in das Stiftungsregister soll grundsätzlich jedermann gestattet sein. Es soll nicht auf den Nachweis eines berechtigten Interesses ankommen (§ 15 StiftRG-E). Das Einsichtsrecht bezieht sich auch auf die zum Register eingereichten Dokumente, wozu unter anderem auch die Errichtungssatzung und spätere Satzungsänderungen gehören (§ 82b Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und § 85b S. 2 Nr. 2 BGB-RegE). Es liegt an den Stiftungen, ein berechtigtes Interesse an der Beschränkung oder dem Ausschluss des Zugangs zu bestimmten Informationen darzulegen und die Einsichtnahme insofern zu beschränken (§ 15 S. 2 StiftRG-RegE).
2. Satzungsautonomie
Im Gegensatz zum Referentenentwurf aus August 2020 ist der Regierungsentwurf zum Prinzip der Satzungsautonomie zurückgekehrt. Damit sind Stifter und Stiftung flexibler in der Ausgestaltung und Änderung der Satzung. Abweichungen von den gesetzlichen Regeln sind nicht mehr nur da zulässig, wo das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt.
Leitbild für die Arbeit der Stiftungsorgane ist der Wille des Stifters im Stiftungsgeschäft (historischer Stifterwille), hilfsweise der mutmaßliche Stifterwille.
Satzungsänderungen erhalten in §§ 85, 85a BGB Reg-E ein neues, abschließendes System mit abgestuften Voraussetzungen je nach Umfang und Bedeutung der angestrebten Änderung. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die Subsidiarität der Auflösung der Stiftung. Eine Auflösung ist gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB RegE nur zulässig, wenn die dauerhafte und nachhaltige Erreichung des Stiftungszwecks endgültig unmöglich ist. Endgültige Unmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn die Erreichung des Zwecks auch nicht mehr durch eine Änderung der Stiftungssatzung erfüllt werden kann.
3. Vermögensverwaltung
Mit § 83c Abs. 1 BGB-RegE wird die Pflicht zum ungeschmälerten Erhalt des Grundstockvermögens einer Ewigkeitsstiftung festgeschrieben. Was bislang in nahezu allen Landesstiftungsgesetzen geregelt war (vgl. u.A. § 6 Abs. 1 StiftG Hessen, Art. 6 Abs. 2 BayStG, § 7 Abs. 2 StiftG BW), erhält damit erstmalig eine bundeseinheitliche Kodifizierung.
Der Regierungsentwurf stellt aber ausdrücklich klar, dass sich die Erhaltungspflicht nicht auf einzelne Vermögensgegenstände im Stiftungsvermögen bezieht, sondern das Stiftungsvermögen als Ganzes meint. Die Zusammensetzung des Vermögens im Einzelnen kann von den Stiftungsorganen geändert werden.
Fällt bei der Umschichtung des Vermögens ein Gewinn an, darf dieser für die Zweckverwirklichung der Stiftung verwendet werden (§ 83c Abs. 3 BGB-RegE).
Die Verfügung über einzelne Rechte des Stiftungsvermögens zur Erfüllung von Verbindlichkeiten ist zulässig. Dies gilt unter anderem auch in Fällen, in denen ein Herausgabeanspruch nach dem Kulturgutschutzgesetz (KGSG) gegenüber der Stiftung geltend gemacht wird. Erwägt der Vorstand einer Stiftung die Erfüllung eines Rückgabeverlangens auf freiwilliger Basis, soll auch dies nicht ohne Weiteres gegen die Vermögenserhaltungsvorschriften verstoßen. Die Entscheidung hat sich unter anderem an den Auswirkungen einer Versagung der Herausgabe und dem „wohlverstandenen Interesse der Stiftung an einer Rückgabe“ zu orientieren. Es liege regelmäßig im wohlverstandenen Interesse der Stiftung, wenn Herausgabegesuche in Einklang mit den Washingtoner Prinzipien (Prinzipien zum Umgang mit von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken) erfüllt werden.
4. Stiftungsorgane
Neue und ausführlichere Regelungen enthalten die §§ 84 ff. BGB-RegE für Organe der Stiftung. Was nach der aktuellen Rechtslage noch über einen Verweis in das Vereinsrecht geregelt wird, erhält nun eine eigene, stiftungsspezifische Regelung mit einer höheren Regelungsdichte.
Größte Neuerung und wichtige Richtschnur für die Praxis ist die Anwendung des Haftungsmaßstabs der „Business-Judgement-Rule“ auf Prognoseentscheidungen geschäftsführender Organe. § 84a Abs. 2 S. 2 BGB RegE sieht vor, dass ein Organ, das geschäftsführend tätig wird, nicht pflichtwidrig handelt, wenn es unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Dieser Maßstab soll insbesondere auch auf Anlageentscheidungen anwendbar sein.
5. Zulegung und Zusammenlegung
Der Entwurf sieht umfangreiche (Verfahrens-) Regelungen für die Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen vor und erhebt diese damit in einen eigenständigen Rang (§§ 86 ff. BGB-RegE). Unter der Zulegung einer Stiftung versteht das Gesetz die Übertragung des Stiftungsvermögens als Ganzes von einer (der übertragenden) auf eine andere (die übernehmende) Stiftung. Bei der Zusammenlegung übertragen mindestens zwei Stiftungen ihr jeweiliges Vermögen als Ganzes auf eine neu errichtete Stiftung. Die Regelungen orientieren sich am Umwandlungsrecht und werden für notleidende Stiftungen von Bedeutung sein. Ob das Erfordernis der wesentlichen Übereinstimmung der Stiftungszwecke sinnvolle Kontinuitätssicherung oder zu hoch gesetzte Hürde ist, wird sich erst in der Praxis zeigen.
Ausblick für die Praxis
Mit dem Regierungsentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts kristallisiert sich die neue Rechtslage zunehmend heraus. Die höhere Regelungsdichte im BGB lässt das Maß an Zersplitterung der Rechtsnormen abnehmen und die Notwendigkeit ländereigener Stiftungsgesetze entfallen.
Insbesondere die neuen Regelungen zur Vermögensverwaltung, Organhaftung und Satzungsänderung werden für die Praxis hilfreich sein. Anders ist das für die gut 23.000 bereits heute bestehenden Stiftungen zu beurteilen. Diese werden zwar auch unter neuem Recht anerkannt, Überführungsregeln vom alten in das neue Rechtssystem sind im Regierungsentwurf allerdings nicht vorgesehen, sodass eine Anpassung der aktuellen Satzung auf die ab dem 1. Juli 2022 geltende Rechtslage behutsam austariert werden will. Angesichts des nicht zu üppigen Zeitrahmens sollten erforderliche Maßnahmen ohne Verzögerung geprüft und bei Bedarf eingeleitet werden.
Mit dem Stiftungsregister tritt eine bedeutende Neuerung ein, die für zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei den Stiftungen sorgen wird. Die bereits bestehenden Pflichten im Hinblick auf das Transparenzregister bleiben bestehen, da der Entwurf keine Meldefiktion nach dem Geldwäschegesetz (GWG) vorsieht.
Für alle Fragen zum Thema oder zum Gesellschaftsrecht steht Ihnen Rechtsanwalt Michael Nellen (michael.nellen@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.