Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) sollte den „gelben Zettel“ eigentlich schon ab dem 1. Januar 2022 abgelöst haben. Wie lange es dauern wird, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, wurde jedoch zu sportlich eingeschätzt. Für Arbeitgeber ist das Startdatum daher um ein Jahr verschoben worden: Ab dem 1. Januar 2023 gelten die neuen Regelungen und Prozesse der eAU für Arbeitgeber verpflichtend.
Ziele der eAU sind das Vorantreiben der Digitalisierung und die Verringerung des bürokratischen Aufwandes. Für die Arbeitgeberseite ist die eAU aber nicht nur mit Vorteilen verbunden – was Sie jetzt dazu wissen müssen und wie Sie sich vorbereiten können:
Was ändert sich?
Noch sieht eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung so aus: eine Seite für die Krankenkasse, ein Durchschlag für den Arbeitgeber, eine weitere Seite für den versicherten Arbeitnehmer und schließlich eine weitere Seite für den ausstellenden Vertragsarzt. Diese Papierflut wird abgeschafft: Künftig übermittelt der Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeit elektronisch an die Krankenkasse. Der Arbeitnehmer informiert seinen Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit. Erst daraufhin fragt der Arbeitgeber in einem elektronischen System die Daten bei der Krankenkasse ab – eine vorherige, routinemäßige Abfrage ist nicht zulässig.
Die bisherige Pflicht des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, entfällt. Die Pflichten des Arbeitnehmers beschränken sich darauf, seine Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen und dem Arbeitgeber zu melden.
Vollständiges Aus für den „gelben Zettel“?
Die eAU betrifft nur Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind. Privat versicherte Arbeitnehmer müssen weiterhin eine schriftliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Gleiches gilt für privatärztliche Leistungen.
Störfälle: Risiko trägt der Arbeitgeber
Es ist nicht auszuschließen, dass es bei den elektronischen Übermittlungsvorgängen zu Verzögerungen oder technischen Störungen kommt. Wie mit diesen Störfällen umzugehen ist, wird im Entgeltfortzahlungsgesetz nicht geregelt. Das Risiko dürfte aber beim Arbeitgeber liegen: Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung der Vergütung zu verweigern, wenn der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Legt der Arbeitnehmer bisher die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig vor, kann der Arbeitgeber die Zahlung der Vergütung bis zur Vorlage zurückhalten. Diese Möglichkeit entfällt aber bei der neuen eAU. Denn zur Vorlage ist der Arbeitnehmer gerade nicht mehr verpflichtet. Der Arbeitgeber muss künftig also auch in Störfällen das Entgelt zunächst fortzahlen.
Wie können sich Arbeitgeber vorbereiten?
Die individuelle Abfrage der eAU-Daten ist eine organisatorische Herausforderung. Umso wichtiger ist es, dass Arbeitgeber sich frühzeitig vorbereiten:
- Technische Umsetzung: IT-seitig muss ein entsprechendes System implementiert werden, um eine Schnittstelle zur Datenabfrage bei den Krankenkassen zu schaffen sowie ggf. eine Verbindung zum verwendeten Abrechnungsprogramm herzustellen. Diskutiert wird derzeit allerdings noch, inwieweit ein bestehender Betriebsrat hierbei einzubeziehen ist.
- Interne Kommunikation: Die Arbeitnehmer sollten klar und rechtzeitig auf die künftigen Meldewege und -prozesse hingewiesen werden.
- Anpassung der Arbeitsverträge: Neue Arbeitsverträge sollten an die Rechtslage ab dem 1. Januar 2023 angepasst werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass die neuen Regelungen nur für gesetzlich Versicherte gelten und dass sich dieser Status auch ändern kann.
Fazit
Das Vorantreiben der Digitalisierung ist grundsätzlich positiv. Für Arbeitgeber bedeutet die Einführung der eAU aber zunächst Aufwand und Vorbereitung. Das sollte frühzeitig in Angriff genommen werden, um eine reibungsglose Umstellung zum Jahreswechsel sicherzustellen.
Bei Fragen stehen Ihnen Rechtsanwältin Nadja Hartmann und das Team der Praxisgruppe Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.