Ein Ende mit Schrecken? Lisa Zeman – Rechtsanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht bei RITTERSHAUS Rechtsanwälte – befasst sich in diesem Blogbeitrag mit dem Thema der persönlichen Haftung von Gesellschaftern einer unterbilanzierten GmbH für den Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters. Was ist zu bedenken, wenn beim Ausscheiden eines Gesellschafters die GmbH nicht über genügend Vermögen verfügt, um den Abfindungsanspruch zu erfüllen?
Ausgangspunkt: Anspruch des ausscheidenden Gesellschafters auf Abfindung
Es gibt mehrere Wege, wie sich ein Gesellschafter und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) trennen können.
Erfolgt die Trennung im Guten, wird dem Gesellschafter meist gestattet, seine Geschäftsanteile an der GmbH an einen Mitgesellschafter oder an einen Dritten zu veräußern (die meisten Gesellschaftsverträge erlauben dies nur mit Zustimmung der Gesellschaft). In einem solchen Fall erhält der Gesellschafter vom Käufer in der Regel ein Entgelt in Form des Kaufpreises für den Verkauf seiner Geschäftsanteile.
Anders verhält es sich hingegen, wenn der Geschäftsanteil eines Gesellschafters nicht verkauft, sondern von der Gesellschaft zwangsweise eingezogen wird, beispielsweise, weil man sich zerstritten hat und eine einvernehmliche Trennung nicht möglich ist. Der einzuziehende Anteil wird an niemanden übertragen, sondern durch Gesellschafterbeschluss amortisiert (vernichtet). Einen Kaufpreis kann der ausgeschiedene Gesellschafter in diesem Fall nicht erzielen. Stattdessen steht ihm ein Anspruch auf Zahlung eines Einziehungsentgelts in Form einer Abfindung zu. Schuldnerin des Abfindungsanspruchs ist dabei die Gesellschaft.
Problemaufriss: Der Abfindungsanspruch bei einer Unterbilanz der GmbH
Was ist aber zu tun, wenn die GmbH nicht über genügend Vermögen verfügt, um den Abfindungsanspruch auch tatsächlich erfüllen zu können?
Durch das in §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG verankerte Gebot der Kapitalerhaltung ist vorgegeben, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Das Kapitalerhaltungsgebot dient dem Schutz der Gläubiger der GmbH, die sich darauf verlassen können müssen, dass die GmbH zumindest über Vermögen in Höhe ihres Stammkapitals verfügt. Für den ausgeschiedenen Gesellschafter ist diese Regelung aber misslich: Die GmbH darf die geschuldete Abfindung nicht leisten, wenn ihr Vermögen dadurch unter den nominellen Wert des Stammkapitals sänke.
Rechtsfolge: Beschlussnichtigkeit oder Haftung der verbliebenen Gesellschafter
Steht bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung fest, dass die GmbH die Abfindung nur unter Verletzung des § 30 Abs. 1 GmbHG zahlen kann, ist der Beschluss von vorneherein analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Der Gesellschafter, dessen Anteile eingezogen werden sollten, bleibt Gesellschafter der GmbH.
Entsteht die mangelnde Leistungsfähigkeit der Gesellschaft hingegen erst nach Beschlussfassung ist der Beschluss dagegen wirksam. Das bedeutet, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung verliert, sein Abfindungsanspruch aber ins Leere zu laufen droht.
In einer solchen Konstellation hat der BGH entschieden, dass die verbleibenden Gesellschafter dem Ausscheidenden für die Zahlung der Abfindung anteilig haften (Az. II ZR 109/11). Denn durch die Amortisation des eingezogenen Anteils erhöhen sich die Beteiligungen der verbliebenen Gesellschafter an der GmbH automatisch – es verhält sich, als würde der eingezogene Anteil ihnen anteilig zuwachsen. Kann die Gesellschaft die Amortisation dann wegen Unterbilanz nicht abfinden, wären die verbleibenden Gesellschafter ohne die vom BGH angeordnete Gesellschafterhaftung grundlos auf Kosten des ausscheidenden Gesellschafters bereichert.
Unsicherheiten: Wann greift die Haftung der Mit-Gesellschafter ein?
Was auf den ersten Blick wie eine klare und eindeutige Entscheidung wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen leider als potentieller Streitherd: Die Haftung der verbliebenen Gesellschafter entsteht nämlich nicht automatisch mit der Beschlussfassung über die Einziehung der Anteile. Der BGH begründet die Haftung der übriggebliebenen Gesellschafter in seiner Entscheidung vielmehr damit, dass sie die GmbH nach dem Ausscheiden des ehemaligen Mit-Gesellschafters weitergeführt, sich also den ihnen „zugewachsenen“ Anteil des Ausgeschiedenen einverleibt haben, ohne diesem eine Abfindung dafür zu zahlen. Die Fortsetzung der GmbH stelle deshalb laut BGH treuwidriges Verhalten der verbliebenen Gesellschafter dar.
Wo treuwidriges Verhalten anfängt, ist im Einzelfall jedoch meist schwer zu bestimmen. Kann beispielsweise auch einem Gesellschafter, der nicht für die Einziehung der Geschäftsanteile votiert hat, treuwidriges Handeln angelastet werden? Wie ist damit umzugehen, wenn die verbleibenden Gesellschafter die GmbH in dem festen Glauben weitergeführt haben, deren Vermögenslage werde sich bald verbessern und eine Auszahlung der Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen werde alsbald wieder möglich? Haften die übrigen Gesellschafter auch dann, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter der Einziehung seiner Anteile zugestimmt hat?
Um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, ist es den verbleibenden Gesellschaftern anzuraten, sich bereits vor einer einseitig unfreiwilligen Trennung von einem Mit-Gesellschafter durch Einziehung von dessen Anteilen mit den Vermögensverhältnissen der GmbH zu befassen und Vorkehrungen zu treffen, die ihre persönliche Haftung verhindern. Ist eine streitige Trennung nötig, müssen Aspekte, die eine Treuwidrigkeit begründen können, so gut wie möglich vermieden werden, damit das Ende ohne Schrecken bleibt.
Rechtsanwältin Lisa Zeman steht Ihnen für weitere Fragen rund um das Handels- und Gesellschaftsrecht jederzeit unter lisa.zeman@rittershaus.net zur Verfügung.