Ausgerechnet an dem Tag, der in vielen Regionen Deutschlands als „Weiberfasching/Weiberfastnacht“ gefeiert wird, verkündete das Bundesarbeitsgericht ein Urteil zugunsten einer Arbeitnehmerin, die sich durch ein gegenüber einem unmittelbar vergleichbaren Kollegen niedrigeres Gehalt in ihren Rechten verletzt fühlte. Zu Recht, urteilte das BAG, und bestätigte einen Verstoß gegen das Entgelttransparenz- und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Der Leitsatz des BAG wird die Arbeitswelt in kaum absehbarer Weise durchschütteln:
Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.
Die Urteilsgründe sind bislang noch nicht veröffentlicht, die Pressemitteilung jedoch lässt eine erhebliche Reichweite der Entscheidung vermuten und derzeit folgende Fragen aufkommen: Besteht das Gebot zur Gleichbehandlung über das Verhältnis Mann/Frau hinaus, und im Zweifel auch über Entgeltfragen hinaus? Müssen somit Vergünstigungen im Arbeitsverhältnis, die Einem gewährt werden, allen Anderen auch gewährt werden?
Gut verhandelt, gute Bedingungen?
Herkömmlich sehen sich Arbeitsvertragsparteien frei in der Aushandlung und Vereinbarung der Vertragsbedingungen. Wer als Arbeitnehmer „gut“ verhandelt, bekommt als „Belohnung“ auch ein gutes Gehalt, im Zweifel ein höheres Gehalt als vergleichbare Kollegen. Gleiches gilt für andere Vertragskomponenten: Urlaub, Arbeitszeit, Arbeitsort. Das Bundesarbeitsgericht erteilt dem nun eine Absage: Nur der Verweis auf eine „gute Verhandlung“ des Arbeitnehmers erlaubt dem Arbeitgeber keine Ungleichbehandlung. Offen bleibt im Rahmen der bisher vorliegenden Pressemitteilung, ob das nur gilt, wenn ein Diskriminierungsmerkmal zwischen vergleichbaren Kolleginnen und Kollegen gegeben ist oder generell.
Muss jetzt also der Arbeitgeber generell Vertragsbedingungen verbessern, wenn er einem Arbeitnehmer aufgrund individueller Verhandlungen Verbesserungen zugesteht? Wie darf der Arbeitgeber überhaupt noch individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen in vergleichbaren Arbeitsverhältnissen rechtfertigen?
Die Einzelheiten hierzu werden sich erst aus den genauen Urteilsgründe ergeben. In jedem Fall aber gilt:
„Gleiches muss gleich, Ungleiches darf ungleich behandelt werden“
Das Gleichbehandlungsgebot ist verfassungsrechtlich verankert (Art. 3 Grundgesetz). Es verpflichtet jedoch nicht zur schematischen Gleichbehandlung. Im entschiedenen Fall ist es dem Arbeitgeber offenkundig nicht gelungen, tragkräftige Gesichtspunkte vorzutragen, die die unterschiedliche Vergütung einer Arbeitnehmerin und eines Arbeitnehmers mit vergleichbarer Tätigkeit rechtfertigen. Und dann gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Denn für das BAG indiziert der ungleiche Lohn eine unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts.
Zugleich liegt in dieser Erkenntnis die Lösung für die Zukunft: Sind zwei Arbeitsverhältnisse nicht gleich, so dürfen sie (und müssen sie vielleicht sogar) ungleich behandelt werden. Arbeitgeber sind bereits jetzt deshalb gut beraten, wenn sie Einzelnen eine zusätzliche Leistung gewähren, genau die sachlichen Gründe für die gegenüber Anderen abweichende Behandlung zu dokumentieren und sich so für eine etwaige Forderung Anderer zu wappnen.
Wir warten gespannt auf die Einzelheiten, die sich aus den Urteilsgründen ergeben werden, und werden im Anschluss mit praxistauglichen Vorschlägen auf Sie zukommen.