Nach der Hängepartie der vergangenen Monate hat das Vereinigte Königreich in der Nacht zum vergangenen Samstag die Europäische Union verlassen. Den Verhandlungspartnern ist es gelungen, den No-Deal-Brexit abzuwenden und sich schlussendlich doch auf ein Austrittsabkommen zu einigen. Wie dies den – auch in diesem Blog im Dezember 2018 diskutierten – Entwürfen bereits zu entnehmen war, enthält das Abkommen umfassende Regelungen zu dem Schicksal der bislang über die unionsweite Geltung auch im Vereinigten Königreich Schutz vermittelnden Rechte des Geistigen Eigentums. Diese Bestimmungen sind nun – wie zuletzt in der Entwurfsfassung vorgesehen – in dem Austrittsabkommen umgesetzt worden.
Zur Erinnerung: Das Austrittsabkommen sieht eine am 31. Dezember 2020 endende Übergangsfrist vor, während der das Vereinigte Königreich den EU-Systemen über Marken und Geschmacksmuster weiter angehört. Bis dahin bleibt also zunächst alles beim Alten.
Folgendes lässt sich für die Zeit nach dem Ablauf der Übergangsfrist im Hinblick auf Unionsmarken festhalten:
- Inhaber von Unionsmarken werden nach Ablauf der Übergangsfrist über korrespondierende Rechte im Vereinigten Königreich verfügen, mit gleicher Schutzdauer und dem gleichen Prioritätsdatum. Für diese „Klone“ werden keine Gebühren fällig und es bedarf auch keiner gesonderten Anmeldung.
Sofern eine Unionsmarke während der Übergangsfrist eingetragen wird, erhält der Inhaber die Möglichkeit, durch die Erklärung eines „Opt out“ die Entstehung eines später im Vereinigten Königreichs geltenden Rechts zu verhindern.
Es empfiehlt sich daher gegebenenfalls, zeitnah Unionsmarken zur Anmeldung zu bringen, um vor Ablauf der Übergangsfrist über eine Eintragung auch im Vereinigten Königreich Schutz zu erhalten.
Was die auf die EU erstreckten internationalen Registrierungen anbetrifft, sieht das Austrittsabkommen naturgemäß keine Regelungen vor, da hier eine Vereinbarung mit der World Intellectual Property Organization notwendig ist. Es wird jedoch nach wie vor erwartet, dass die EU-Teile wie Unionsmarken behandelt werden.
- Sollte sich eine Unionsmarke zum Ablauf der Übergangsfrist noch im Anmeldestadium befinden, erhält der Anmelder die Gelegenheit, binnen eines Zeitraums von neun Monaten ab dem Ende der Übergangsfrist eine entsprechende, denselben Zeitrang (Priorität) beanspruchende Anmeldung einer nationalen britischen Marke zu beantragen. Eine automatische Umwandlung findet in diesem Fall nicht statt.
Diese Frist werden die Anmelder von Unionsmarken daher gegebenenfalls im Auge zu behalten haben.
Für eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Designs) gilt im Wesentlichen dasselbe wie für Unionsmarken. Nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster werden bis zum Ablauf ihrer Schutzdauer auch im Vereinigten Königreich geschützt sein.
Sollten unionsweit geschützte Rechte zum Ablauf der Übergangsfrist Gegenstand von Löschungsverfahren sein, wird eine spätere Löschung höchstwahrscheinlich auch das neu entstehende nationale britische Schutzrecht erfassen. Hier ist aber noch unklar, wie die gesetzlichen Bestimmungen im Vereinigten Königreich ausgestaltet werden. Es kann sich die Anmeldung eines britischen nationalen Schutzrechts empfehlen, was jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen ist.
Die Bestellung eines lokalen Vertreters für die neu entstehenden Schutzrechte im Vereinigten Königreich wird erst drei Jahre nach Ablauf der Übergangsfrist notwendig werden.
Wir behalten die weiteren Entwicklungen im Auge und werden in diesem Blog berichten, sobald es wesentliche Neuigkeiten gibt.
Dr. Martin Schmidhuber ist Leiter der Praxisgruppe IP/IT und auf das Marken- und Kennzeichenrecht spezialisiert. Er steht Ihnen bei Fragen rund um den Einfluss des Brexit auf unionsweite Schutzrechte gerne zur Verfügung.