Inhaber von unionsweit geschützten Marken und Geschmacksmustern (Designs) plagt die Frage, ob im Falle des am 29. März 2019 anstehenden Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) die beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragenen Schutzrechte im Hinblick auf das Vereinigte Königreich ihre Wirkung verlieren und ob zur Absicherung der Schutzrechtsposition nationale britische Rechte angemeldet werden sollen beziehungsweise parallel zu einer die EU erfassenden Schutzrechtsanmeldung um Schutz auch im Vereinigten Königreich nachgesucht werden soll. Bei der Beantwortung dieser Fragen muss der geordnete Austritt und sogenannte „No-Deal-Brexit“ unterschieden werden.
Der von den Unterhändlern der Europäischen Union und der britischen Regierung Mitte November abgestimmte Entwurf des Brexit-Abkommens enthält in seinem Titel IV in den Artikeln 54 bis 61 Bestimmungen zum Umgang mit dem geistigen Eigentum. Zentraler wichtiger Punkt: Bis zum Ende einer am 31. Dezember 2020 ablaufenden Übergangsfrist soll das Vereinigte Königreich den EU-Systemen über Marken und Geschmacksmuster weiterhin angehören.
Im Hinblick auf Unionsmarken sieht der Entwurf vor, dass diese automatisch (ohne weitere Prüfung), gebührenfrei und unter Wahrung der Priorität (Seniorität) in britische nationale Rechte konvertiert werden, wenn sie vor der Übergangsfrist bereits eingetragen sind. Für einen Zeitraum von drei Jahren ab Ablauf der Übergangsfrist soll es nicht notwendig sein, einen Inlandsvertreter im Vereinigten Königreich zu bestellen. Auch die Schutzdauer der aufgrund der Umwandlung entstandenen britischen Marke soll derjenigen der Unionsmarke entsprechen. Sollte sich das Schutzrecht zum Zeitpunkt des Ablaufs der Übergangsfrist noch im Anmeldeverfahren befinden, sollen Schutzrechtsinhaber noch neun Monate Zeit erhalten, unter Inanspruchnahme der Priorität der unionsweiten Anmeldung in Großbritannien Schutzrechte anzumelden. Unionsmarken, die vor Ablauf der Übergangsfrist gelöscht werden, gelten auch in Großbritannien als gelöscht. Was die Benennung der EU im Rahmen von internationalen Registrierungen anbetrifft, enthält der Vereinbarungsentwurf lediglich die Verpflichtung des Vereinigten Königreichs, für vergleichbare Regelungen zu sorgen.
Sollte zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich keine Übereinkunft erzielt werden und es zu einem No-Deal-Brexit kommen, hat die britische Regierung bereits am 24. September 2018 verlautbaren lassen, dass das Vereinigte Königreich im Wesentlichen gleiche Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des Markenschutzes eröffnen wird. Dies gilt insbesondere für die Konvertierung der registrierten Marken und die Einreichung britischer Anmeldungen während einer neunmonatigen Frist.
Für eingetragene Unionsgeschmacksmuster gilt in beiden Fällen im Wesentlichen dasselbe.
Mit Blick auf die bereits angemeldeten oder registrierten Unionsmarken einschließlich der Europäischen Teile der internationalen Registrierungen dürfte daher derzeit zumindest kein zwingender Handlungsbedarf bestehen. Allerdings wird man im Falle eines geordneten Brexit und dem Abschluss des Brexit-Abkommens in Form des derzeitigen Entwurfs freilich die neunmonatige ab dem 31. Dezember 2020 laufende Frist zur Anmeldung britischer Schutzrechte im Auge behalten müssen. Gleiches gilt für die Frist zur Bestellung eines Inlandsvertreters im Vereinigten Königreich. Vor dem Hintergrund des Szenarios eines No-Deal-Brexit und der hiermit verbundenen Unsicherheiten, gerade auch wegen der schwierigen politischen Situation in Großbritannien, mag es aber sinnvoll sein, zur Abmilderung des Risikos im Falle von Neuanmeldungen nun parallel auch Anmeldungen für korrespondierende nationale britische Schutzrechte einzureichen. Dies gilt insbesondere für wichtige Marken und Geschmacksmuster. Etwaiger Handlungsbedarf ist jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen, um die passende Schutzrechtsstrategie auch für den Brexit zu entwickeln.
Zum Autor:
Dr. Martin Schmidhuber ist Leiter der Praxisgruppe IP/IT und auf das Marken- und Kennzeichenrecht spezialisiert. Er steht Ihnen bei Fragen rund um den Einfluss des Brexit auf unionsweite Schutzrechte gerne zur Verfügung.