„Die Einheit Europas war ein Traum von Wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für Viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“
Dieses Zitat stammt von Konrad Adenauer aus dem Jahr 1954. In Zeiten, in denen die Gegner Europas auf dem Vormarsch sind, gewinnt dieses Zitat erneut an Strahlkraft. Und so ist es erfreulich, dass die deutschen Gerichte die Finanzverwaltung ab und an an Europa erinnern und den nationalen Blick der Beamten wieder etwas öffnen. Dies ist zumindest eine Hoffnung von Vielen.
Ein in Deutschland ansässiger Familienvater hatte in Liechtenstein eine Stiftung errichtet und dieser Stiftung Vermögen zugewandt. Im Rahmen der Steuererklärung in Deutschland beantragte er (der Schenker schuldet ebenfalls die Schenkungsteuer) die Gewährung des Freibetrages in Höhe von EUR 200.000 und die Versteuerung in der Erbschaftsteuerklasse I, da die Begünstigten der Stiftung seine Ehefrau, seine Kinder und seine Enkel waren. Hätte der Stifter die Familienstiftung in Deutschland errichtet, wäre seinem Antrag ohne weiteres entsprochen worden und er hätte das Privileg in Anspruch nehmen können. Nun befand sich seine Stiftung aber in Liechtenstein und damit zwar außerhalb der EU, jedoch innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums. Liechtenstein ist seit 1995 EWR – Mitglied mit der Folge, dass das Gemeinschaftsrecht auch in Liechtenstein gilt.
Die Finanzbeamten warfen ein Blick in das deutsche Erbschaftsteuergesetz und fanden eine Vorschrift, nach der die Privilegierung der Besteuerung auf deutsche Familienstiftungen beschränkt ist. Die Finanzverwaltung gewährte daraufhin nur einen Freibetrag in Höhe von EUR 20.000 und wendete die ungünstige Steuerklasse III an, die zu einer Steuerbelastung von 30 % führte. Der Stifter klagte vor dem Finanzgericht Hannover … und obsiegte!
Das Finanzgericht Fulda (Geschäftsnummer 10 K 541/17) entschied am 7. März 2019, dass die nationale gesetzliche Privilegierung von deutschen Familienstiftungen zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb der Europäischen Union führe. Sie sei nämlich geeignet, den Stifter aus wirtschaftlichen Gründen von der Errichtung einer Familienstiftung in Liechtenstein abzuhalten. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung einer Stiftung im Inland und im Europäischen Ausland sei nicht ersichtlich. Es verhalte sich auch nicht mehr so, dass man einen Mangel beim Informationsaustausch in Steuersachen zwischen Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein annehmen könne. Dieser Informationsaustausch findet nämlich seit dem Informationsaustauschabkommen zwi-schen den beiden Staaten aus dem Jahr 2009 statt. Das Gericht entschied weiter, dass es nicht entscheidungserheblich sei, dass in Liechtenstein eine Familienstiftung nicht der Erbersatzsteuer unterliege. In Deutschland gilt für inländische Familienstiftungen die Erbersatzsteuer, die alle 30 Jahre anfällt.
Im Ergebnis ist daher die inländische gesetzliche Privilegierung von deutschen Familienstiftungen diskriminierend und die entsprechende Regelung im Erbschaftsteuergesetz muss – obwohl es sich um eine gesetzliche nationale deutsche Vorschrift handelt – aufgrund des Vorrangs der Regelungen des EWR-Abkommens unterbleiben. Im Ergebnis wurde durch einen Änderungsbescheid dann die Schenkungsteuer neu
festgesetzt und der Freibetrag von EUR 200.000 und das Steuerklassenprivileg der Steuerklasse I gewährt.
Das Urteil ist in der Sache so überzeugend, dass man vermuten könnte, die Finanzverwaltung werde ihre Auffassung korrigieren und eingestehen, sie habe das Gemeinschaftsrecht schlicht übersehen. Leider wird aber auch insoweit wiederum die Fahne des deutschen Gesetzgebers hochgehalten und die Finanzverwaltung hat beim Bundesfinanzhof Revision eingelegt. Selbst wenn aber der Bundesfinanzhof zu Gunsten des Klägers entscheiden sollte, ist nicht gesichert, dass die Finanzverwaltung dieser Auffassung folgen wird. Denn es ist Alltag, dass die Finanzverwaltung Urteile des höchsten deutschen Gerichts nicht akzeptiert und sogenannte Nichtanwendungserlasse ausspricht. Es scheint, als sei die Einheit Europas für die Finanzverwaltung eher ein Albtraum und eine Enttäuschung. Die Hoffnung für uns alle bleibt, dass auch die Finanzverwaltung unser Gemeinschaftsrecht akzeptiert und unsere unabhängige Rechtsprechung ihren Europäischen (Weit)Blick beibehält. Dies ist eine Notwendigkeit für uns alle.
Bei Rückfragen zu den Gestaltungsmöglichkeiten von Familienstiftungen steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Werner H. Born unter werner.born@rittershaus.net jederzeit zur Verfügung.