In der aktuellen Krisenzeit sind viele Unternehmen von einer Insolvenz bedroht. Betroffene Mitarbeiter denken in dieser Situation (verständlicherweise) zuerst an den dadurch drohenden Jobverlust und Lohnausfall. Doch wird dieser für die meisten hoffentlich nur temporärer Natur sein. Was ist jedoch mit der betrieblichen Altersvorsorge, die einem der Arbeitgeber im Herbst des Lebens auszahlen wollte? Ist das Geld im Falle einer Insolvenz des Unternehmens unwiederbringlich „futsch“? Und ergeben sich hier Unterschiede für „klassische“ Arbeitnehmer und für (Gesellschafter-)Geschäftsführer?
I. Sicherung von Arbeitnehmern
Der Arbeitnehmer muss sich um seine Betriebsrente auch bei ernstlichen finanziellen Schwierigkeiten seines Arbeitgebers keine allzu großen Sorgen machen. Der Gesetzgeber hat die Gefahr, dass Betriebsrentenzusagen bei einer Insolvenz eines Unternehmens wertlos werden können, gesehen und vorgesorgt. In § 7 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) ist niedergelegt, dass in einem solchen Fall der (beitragsfinanzierte) Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) in die Bresche springt und den betroffenen Arbeitnehmern ihre betriebliche Altersversorgung anstelle des insolventen Arbeitgebers auszahlt.
- 7 BetrAVG gilt in erster Linie für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende (§ 17 Absatz 1 Satz 1 BetrAVG). Dies hat den Hintergrund, dass das BetrAVG den wirtschaftlich abhängigen und deshalb besonders schutzbedürftigen Arbeitnehmer absichern soll. Dieser kann wegen der regelmäßig stärkeren Position seines Vertragspartners keinen oder nur geringen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung seiner betrieblichen Altersvorsorgezusage nehmen. Zudem hat er keine Möglichkeit, die Geschicke des Unternehmens zu leiten und trägt damit für eine Insolvenz keine Verantwortung.
II. Sicherungs von Geschäftsführern
Der BGH hat bereits entschieden, dass Geschäftsführer niemals unter § 17 Absatz 1 Satz 1 BetrAVG fallen, also im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung nie als Arbeitnehmer angesehen werden können. Sie sind nicht weisungsgebunden und fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit für die Gesellschaft tätig.
Gemäß § 17 Absatz 1 Satz 2 BetrAVG findet das BetrAVG aber auch auf Personen Anwendung, denen ihre Altersvorsorge „aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen“ zugesagt wurde – „arbeitnehmerähnlich Beschäftigte“ nennt sie der BGH.
Diese Definition ist so unbestimmt, dass jeder Geschäftsführer zwanglos hierunter subsumiert werden könnte. Jedoch beschränkt der BGH den weiten Wortlaut des Satz 2, indem er auf das dem BetrAVG zugrundeliegende Leitbild des schutzbedürftigen Arbeitnehmers abstellt. Ein Geschäftsführer darf mit der GmbH vermögens- und einflussmäßig nicht so sehr verbunden sein, dass er sie als „seine eigene“ betrachten könnte. Denn dann wäre er einem Einzelunternehmer gleichzustellen, der sich eine betriebliche Altersvorsorge nach Gusto selbst zusagen kann.
Bei einem Fremdgeschäftsführer ist ein solcher Einfluss abzulehnen, da er eben keine Anteile an der Gesellschaft hält und damit für ein fremdes Unternehmen tätig wird. Er ist also arbeitnehmerähnlich beschäftigt im Sinne des § 17 Absatz 1 Satz 2 BetrAVG.
Weit weniger eindeutig stellt sich die Situation bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH dar. Er hat gegenüber Arbeitnehmern und Fremdgeschäftsführern die Sonderstellung, dass er als Anteilseigner das Unternehmen (mit‑)kontrolliert. Seine wirtschaftliche Abhängigkeit und besondere Schutzbedürftigkeit sind daher zumindest zweifelhaft.
Doch nicht jeder Gesellschafter-Geschäftsführer hat so viel Macht im Unternehmen, dass es angezeigt wäre, ihm die Insolvenzsicherung durch den PSVaG zu versagen. Es kommt auf den konkreten Gesellschafter-Geschäftsführer und seine Stellung in der GmbH an. Hier bedarf es immer einer Prüfung des Einzelfalls.
Der BGH hat über Jahre in verschiedenen Entscheidungen herausgearbeitet, welche Gesellschafter-Geschäftsführer vermögens- und einflussmäßig so mit der GmbH verbunden sind, dass eine Anwendung des BetrAVG ausscheidet, weil die Gesellschaft als eigenes Unternehmen der Gesellschafter-Geschäftsführer erscheint. Mit zwei jüngeren Entscheidungen vom 1. Oktober 2019 (Az. II ZR 386/17 und II ZR 387/17) hat der BGH die Abgrenzungskriterien noch einmal deutlich geschärft.
Nicht arbeitnehmerähnlich ist:
- ein Geschäftsführer, der alle Anteile an der Gesellschaft hält
- ein Geschäftsführer, der die Mehrheit der Anteile an der Gesellschaft hält
- ein Geschäftsführer, der zusammen mit anderen Geschäftsführern die Mehrheit der Anteile an der Gesellschaft hält
- ein Geschäftsführer, der zusammen mit anderen Geschäftsführern genau die Hälfte der Anteile hält
Während die ersten beiden Fälle sofort einleuchten, bedarf die vom BGH vorgenommene Zusammenrechnung von Anteilen verschiedener Gesellschafter-Geschäftsführer einer Erläuterung. Immerhin könnte man meinen, Gesellschafter-Geschäftsführer, die keine Mehrheit der Anteile innehaben und damit nicht selbstständig Entscheidungen in der Gesellschaft treffen können, befänden sich in einer dem klassischen Arbeitnehmer vergleichbaren Situation.
Der BGH stellt jedoch darauf ab, dass die wirtschaftlichen Interessen der an der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer in der Regel gleich gelagert sind – insbesondere bei der Vereinbarung und Beibehaltung betrieblicher Vorsorgezusagen, die sie selbst betreffen. Dies führe dazu, dass sie, zumindest in betriebsrentenbezogenen Fragen, in der Führung des Unternehmens übereinstimmen werden und gleich einem Allein- oder Mehrheitsgesellschafter „durchregieren“ können. Der BGH rechnet dem betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer die Anteile seines Mitgesellschafter-Geschäftsführers bei der Frage der Unternehmensbeherrschung quasi hinzu.
Zwar kamen die von den Urteilen vom 1. Oktober 2019 betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer auch bei Addition ihrer Anteile nicht auf die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschaft und konnten so deren Geschicke nicht gegen den Willen der anderen Gesellschafter lenken, doch hätten sie trotzdem solchen Einfluss im Unternehmen, dass es mehr „ihr eigenes“ sei denn ein fremdes. Dies ergebe sich laut BGH aus der Tatsache, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer in der Lage seien, mit den durch ihre Anteile vermittelten Stimmrechten eine ihnen unliebsame Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung blockieren zu können. Es komme nicht darauf an, dass sie die Führung des Unternehmens auch aktiv gestalten, sprich Beschlüsse gegen den Willen der anderen Gesellschafter fassen können. Denn schon die den Gesellschafter-Geschäftsführern kraft ihrer Anteile gegebene Blockademacht verhindere, dass sie negative Veränderungen ihrer Versorgungszusagen zu fürchten hätten. Eine Ähnlichkeit mit einem klassischen Arbeitnehmer sei daher nicht gegeben.
III. Auswirkungen auf die Praxis
Gesellschafter-Geschäftsführern ist angesichts der differenzierten Kasuistik zu raten, immer gesondert prüfen zu lassen, ob sie in den Anwendungsbereich des § 17 Absatz 1 Satz 2 BetrAVG fallen. Es droht die Gefahr, dass ihre Betriebsrente im Fall einer Insolvenz des Arbeitgebers nicht geschützt ist. Durch eine der Situation des konkreten Gesellschafter-Geschäftsführers angepasste Satzungsgestaltung kann eine Insolvenzabsicherung unter Umständen trotzdem erreicht werden. Ansonsten mag sich beispielsweise auch der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung mit anschließender Verpfändung an den Gesellschafter-Geschäftsführer anbieten.
Bei allen Fragen zum Thema Betriebsrente von Gesellschafter-Geschäftsführern und zum Gesellschaftsrecht im allgemeinen steht Ihnen Rechtsanwältin Lisa Zeman gerne zur Verfügung.