Derzeit sehen sich viele Vereine mit der Frage konfrontiert, wie sie trotz der anhaltenden Corona-Krise und den mit ihr verbundenen staatlichen Einschränkungen ihre diesjährige Mitgliederversammlung organisieren können. Dabei stellen virtuelle Mitgliederversammlungen die beste und sicherste Lösung dar. Welche konkreten Möglichkeiten insoweit bestehen und wie eine virtuelle Mitgliederversammlung einzuberufen und durchzuführen ist, soll der vorliegende Beitrag zeigen.
Virtuelle Mitgliederversammlungen vor der Corona-Krise
Bereits vor der Corona-Krise konnten Vereine ihre Mitgliederversammlungen in virtueller Form abhalten, wenn ihre Satzung eine entsprechende Ermächtigung enthielt. Ohne eine solche Ermächtigung sah das Vereinsrecht allerdings nur die Möglichkeit vor, die Mitgliederversammlung als physische Präsenzveranstaltung durchzuführen oder gänzlich auf eine Versammlung zu verzichten und Beschlüsse allein im Umlaufverfahren zu fassen, vorausgesetzt, dass sämtliche Mitglieder dem Beschluss schriftlich zustimmten.
Die Vereinsmitglieder konnten nach überwiegender Auffassung allerdings einstimmig auf die Einhaltung gesetzlicher oder satzungsrechtlicher Formalien zur Einberufung und Abhaltung der Mitgliederversammlung verzichten. Dem folgend konnten sie eine Mitgliederversammlung auch im Falle fehlender satzungsrechtlicher Ermächtigung in virtueller Form durchführen, wenn ihr – ähnlich dem Umlaufverfahren – alle Mitglieder zuvor zustimmten.
Mit Beginn der Corona-Krise sah sich der Vorstand nun jedoch vor ein Problem gestellt, wenn er wegen der staatlichen Einschränkungen und der möglichen Ansteckungsgefahr keine Präsenzveranstaltung durchführen wollte, es jedoch für eine virtuelle Mitgliederversammlung an einer satzungsrechtlichen Ermächtigung fehlte und absehbar war, dass auch nur ein Vereinsmitglied einer virtuellen Mitgliederversammlung widersprechen könnte. Kurzfristig würde in diesem Fall auch eine Änderung der Satzung nicht weiterhelfen, da für sie ebenfalls eine Mitgliederversammlung unter den zuvor genannten Bedingungen einzuberufen wäre. Darüber hinaus müsste in der Kürze der Zeit auch eine entsprechende Stimmenmehrheit für eine derartige Satzungsänderung gefunden werden.
Neuerungen durch das COVFAG und das COVMG
Um trotz dieses Dilemmas vereinsrechtliche Mitgliederversammlungen während der Corona-Krise zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (COVFAG) geschaffen. Es enthält als Mantelgesetz in Art. 2 das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Woh-nungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG). § 5 Abs. 2 und 3 COVMG stellen Sondervorschriften dar, die die vereinsrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Hinblick auf Mitgliederversammlungen ergänzen. Dadurch kann ein Verein seine Mitgliederversammlung nunmehr als virtuelle Mitgliederversammlung durchführen oder ganz auf die Mitgliederversammlung verzichten und seine Beschlüsse im Umlaufverfahren fassen, ohne dass es hierzu einer satzungsrechtlichen Ermächtigung oder der Zustimmung aller Vereinsmitglieder bedarf. Die Regelungen des § 5 Abs. 2 und 3 COVMG gelten zunächst nur bis zum 31. Dezember 2020. Allerdings ist eine darüber hinausgehende Verlängerung aufgrund der anhaltenden Krise wahrscheinlich.
Die virtuelle Mitgliederversammlung nach § 5 Abs. 2 COVMG
Die Mitgliederversammlung kann jetzt als virtuelle Mitgliederversammlung, also zum Beispiel als Audio- oder Videokonferenz abgehalten werden. Es wäre auch eine Mitgliederversammlung nur per Chat denkbar. Darüber hinaus kann die Mitgliederversammlung auch als Hybridveranstaltung durchgeführt werden, bei der nur ein Teil der Mitglieder oder nur der Vorstand an dem eigentlichen Versammlungsort physisch zusammenkommt, während die übrigen Vereinsmitglieder virtuell an der Versammlung teilnehmen. Da die Beschlussgegenstände mit der Tagesordnung bekannt gegeben werden müssen, besteht zudem die Möglichkeit, dass die Mitglieder an der eigentlichen Versammlung gar nicht teilnehmen, ihre Stimme zu dem jeweiligen Beschluss aber im Vorfeld der Versammlung schriftlich abgeben.
Die Beschlussfassung ohne Mitgliederversammlung nach § 5 Abs. 3 COVMG
Nach den Sondervorschriften kann auch gänzlich auf die Mitgliederversammlung verzichtet und können Beschlüsse allein in einem modifizierten Umlaufverfahren gefasst werden. Dafür ist erforderlich, dass (i) alle Mitglieder an der Beschlussfassung beteiligt werden, (ii) mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimme bis zu dem vom Verein hierzu gesetzten Termin in Textform (z.B. per E-Mail oder Telefax) abgeben und (iii) der Beschluss mit der nach der Satzung erforderlichen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst wird. Auch für diesen Fall bedarf es weder einer satzungsrechtlichen Ermächtigung noch der vorherigen Zustimmung aller Vereinsmitglieder.
Präsenz- und Hybridversammlungen
Wird die Versammlung trotz der vorstehend dargestellten Möglichkeiten als Präsenz- oder Hybridveranstaltung durchgeführt, sind die staatlichen Sicherheitsvorgaben einzuhalten. Dabei ist insbesondere auf Beschränkungen der Personenzahl, das Tragen von Masken und die Einhaltung der Sicherheitsabstände zu achten. Gegebenenfalls muss ab einer bestimmten Personenzahl zuvor ein Hygienekonzept erarbeitet und mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmt werden. Die Durchführung der Mitgliederversammlung als Präsenz- oder Hybridveranstaltung kann je nach Mitgliederzahl eine Herausforderung darstellen, die mit erheblichem Organisationsaufwand und höheren Kosten verbunden sein kann. Zugleich besteht die Gefahr, dass viele Mitglieder einer solchen Versammlung fernbleiben, um sich nicht dem Risiko einer Ansteckung auszusetzen. Dies schwächt nicht nur die Rolle der Mitgliederversammlung als zentrales Willensbildungsorgan des Vereins, sondern auch den Rückhalt der gefassten Beschlüsse in der Vereinsbasis. Daher empfiehlt es sich, von der gesetzlich geschaffenen Möglichkeit der Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung Gebrauch zu machen.
Einberufung und Durchführung der virtuellen Mitgliederversammlung
Die Zuständigkeit für die Einberufung der Mitgliederversammlung ergibt sich aus der Vereinssatzung, hilfsweise aus dem Gesetz. Zuständig ist in aller Regel der Vorstand. Für die Einberufung gelten auch bei einer virtuellen Mitgliederversammlung zunächst die satzungsrechtlichen Vorgaben. Diese sind allerdings um einige Besonderheiten zu ergänzen. So hat die Einladung zur virtuellen Mitgliederversammlung neben der Bekanntgabe des genauen Zeitpunktes und der Tagesordnung auch darüber zu informieren, dass die Versammlung in virtueller Form stattfindet. Mit der Einladung sind den Mitgliedern darüber hinaus die Zugangsdaten (z.B. Einwahldaten, Weblink) und gegebenenfalls zu verwendende Passwörter (bzw. Teilnehmer-Pin) mitzuteilen. Die gewählte Kommunikationsart muss sicherstellen, dass Bild- und/oder Tonsignale übertragen werden können und die Kommunikation wechselseitig erfolgt. Nicht ausreichend wäre daher, dass die Mitglieder nur als Zuschauer passiv an der Versammlung teilnehmen. Entscheidend ist, dass sie ihre mitgliedschaftlichen Rechte (z.B. Rede- und Stimmrechte) in Echtzeit ausüben können. Dafür können grundsätzlich Telefon- oder Videokonferenzsysteme wie beispielsweise Zoom, Teams, Jitsi, Webex, Skype etc. verwendet werden. Diese sollten vor der Verwendung auch auf ihre datenschutzrechtliche Eignung überprüft werden. Auf der anderen Seite dürfen die technischen Anforderungen bei der Wahl des Programms nicht so hoch sein, dass die Mitglieder an der Teilnahme gehindert werden oder die Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte erschwert wird. Insgesamt sollte die Verwendung digitaler Programme möglichst transparent gestaltet werden. Den Teilnehmern sollte bei Bedarf technische Hilfe angeboten werden. Auch sollte der Vorstand für Rückfragen zu technischen Anforderungen oder zur Bedienung des jeweiligen Programms zur Verfügung stehen. Rückfragen können je nach Vorlaufzeit gesammelt und zusammen mit entsprechenden Antworten allen Mitgliedern verfügbar gemacht werden. Enthält die Satzung bestimmte Modalitäten, wie beispielsweise die geheime Abstimmung auf Antrag eines Mitglieds, muss sicherstellt werden, dass auch diesen Vorgaben in der virtuellen Mitgliederversammlung entsprochen werden kann. Gegebenenfalls muss auf die Verwendung weiterer Software Tools (z.B. Po-lyas, VOXR) zurückgegriffen werden. Im Hinblick auf eventuell erforderliche Registereintragungen sollte der Vorstand zudem geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Teilnahme an der virtuellen Mitgliederversammlung und die Abstimmungsergebnisse zu dokumentieren.
Bei allen Fragen rund um das Thema „virtuelle Mitgliederversammlung“ steht Ihnen Rechtsanwalt Sebastian Koch gerne unter Sebastian.Koch@rittershaus.net zur Verfügung.