Kontrovers diskutiert wird derzeit eine Initiative der von einer Vielzahl von Unternehmern getragenen „Stiftung Verantwortungseigentum“, die auf die Begründung einer neuen Gesellschaftsform mit besonderer Vermögensbindung abzielt.
Worum geht es? Kern des Gesetzentwurfs ist die Schaffung einer an die Rechtsform der GmbH angelehnten Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum („VE-GmbH“) mit einer klaren Trennung von Leitungsmacht und Gewinnerzielung. Während die Entscheidungshoheit bei der VE-GmbH uneingeschränkt beim Gesellschafter bleibt, verzichtet dieser qua Rechtsformwahl ein für alle Mal und auch für etwaige Rechtsnachfolger auf jegliche Teilhabe am Gewinn. Dass dieser Verzicht nachhaltig wirkt, soll nach dem Gesetzesentwurf dadurch abgesichert werden, dass Unternehmensgewinne dauerhaft gebunden werden und der Gesellschafter auch bei Auflösung der Gesellschaft nur seine Einlage zurückerhalten kann (sog. Asset Lock). Die Unternehmensverantwortung soll dabei auf Ebene der Gesellschafter „unabhängig von genetischer Familie und Verantwortung innerhalb einer engen Gemeinschaft der Gesellschafter“, der sog. Fähigkeiten- und Wertefamilie, übergeben werden können. Einkünfte darf der für Unternehmen tätige Verantwortungseigentümer nur im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustauschs, also in der Regel durch Erbringung von Arbeitsleistung gegen angemessene Vergütung, erzielen. Eine Verpflichtung auf gemeinnützige Ziele ist nicht vorgesehen. Ebenso wenig sind steuerliche Anreize für den Gesellschafter oder die Gesellschaft orgesehen.
Wer braucht sie? Nach den Autoren des Gesetzesentwurfs gibt es eine wachsende Zahl von Unternehmern, die die Unabhängigkeit und den Bestand ihrer Unternehmen im Sinne einer nachhaltigen Wertschöpfung sicherstellen und ihre Unternehmen in Verantwortungseigentum überführen wollen. Die dafür vorhandenen gesellschaftsrechtlichen Instrumentarien seien entweder hoch komplex und damit für mittelständische Unternehmen und Start-ups nicht realisierbar oder nicht mit der notwendigen rechtlichen Sicherheit ausgestattet und für den juristischen Laien schwer vermittelbar. Ob der vorliegende Gesetzentwurf hier tatsächlich Besserung schafft, darf aber nach dem bisherigen Diskussionsstand und der zahlreichen kritischen Äußerungen aus Wirtschaft, Presse und Politik bezweifelt werden.
Alternativen: Anders als von der Initiative und den Autoren des Gesetzesentwurfs dargestellt, bieten das bestehende Gesellschaftsrecht und nicht zuletzt die sehr weitgehende Satzungsautonomie im GmbH-Recht mannigfaltige Möglichkeiten, ein nachhaltiges und nicht am Dividendeninteresse der Anteilseigner orientiertes Wirtschaften sicherzu-stellen. Im Idealfall schließen sich die beiden Aspekte ohnehin nicht aus und könnte es sich als zielführender erweisen, der Nachhaltigkeit einen Vorrang vor der Gewinnerzielung zu sichern, ohne Letztere generell auszuschließen. Auch eine Verstetigung des „Verantwortungseigentums“ in dem Sinne, dass das Unternehmensvermögen dauerhaft dem Zugriff der Gesellschafterebene entzogen wird, lässt sich schon nach bestehendem Recht mit oder ohne Rückgriff auf das Stiftungsrecht verwirklichen. Entsprechende Gestaltungen müssen auch nicht übermäßig komplex sein. Wer sich mit einer einfachen und klaren Trennung von Leitungsmacht und Vermögen wie nach dem Gesetzentwurf vorgesehen anfreunden mag, wird auch mit einer vergleichsweise einfachen Struktur auskommen. Wer demgegenüber eine differenzierende Gestaltung anstrebt, die möglicherweise auch die eigene Altersversorgung und/oder die Versorgung von Angehörigen miteinschließt, wird in der VE-GmbH ohnehin keine taugliche Basis finden und ist letztlich gut beraten, sich anderer Instrumentarien zu bedienen und von den bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
Bei Fragen rund um das Thema „Nachhaltiges Gesellschaftsrecht“ steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Patrick Certa gerne unter patrick.certa@rittershaus.net zur Verfügung.