Auch wenn sich viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer mittlerweile in der „neuen Normalität“ zurechtgefunden haben, stellt „Corona“ immer neue Fragen im Arbeitsverhältnis.
Aktuell: Was ist die Folge einer (vermeidbaren) Reise in ein Risikogebiet, die eine Quarantäne nach sich zieht?
Bislang konnte eine solche Quarantäne durch einen negativen Test, der sogar kurz vor der Einreise durchgeführt werden durfte, vermieden oder beendet werden. Ab dem 1. Oktober 2020 ist jedoch eine neue Regelung zur Quarantäne nach der Rückkehr aus Risikogebieten geplant, die frühestens am 5. Tag nach Rückkehr durch einen negativen Test beendet werden kann. Für Reiserrückkehrer aus Risikogebieten bedeutet dies somit in jedem Fall, dass sie nach ihrer Rückkehr mindestens fünf Tage ihrem Arbeitsplatz fernbleiben müssen.
Nachdem Gesundheitsminister Spahn jüngst äußerte, ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes bestehe auch, wenn ein Arbeitnehmer entgegen öffentlichen Warnungen in ein Risikogebiet gereist sei, haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zuletzt beschlossen, dass eine bundeseinheitliche Rechtsänderung herbeigeführt werden soll, nach der ein Ersatz des Einkommensausfalls in diesen Fällen nicht gewährt wird.
Die geplante Gesetzesänderung entspricht der jetzt schon herrschenden Rechtsauffassung. Eine schnellstmögliche Umsetzung ist jedoch zu begrüßen, um sowohl auf Seiten von Arbeitnehmern als auch auf Seiten von Arbeitgebern Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Bis eine klare gesetzliche Regelung getroffen ist, gilt folgendes:
Kann der Arbeitnehmer aufgrund einer Quarantäneverpflichtung nicht zur Arbeit erscheinen, ist es ihm unmöglich, seine vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen (§ 275 Abs. 1 BGB), was zur Folge hat, dass sein Entgeltanspruch grundsätzlich entfällt (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB). Anderes gilt nur, wenn die Quarantänepflicht die Folge einer Dienstreise war.
Sehenden Auges ins Risikogebiet
Wenn ein Arbeitnehmer bei einer Privatreise bewusst in eines der zurzeit 160 Länder reist, die ganz oder teilweise zum Risikogebiet erklärt wurden, schließt das Verschulden dieses Arbeitnehmers einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB oder § 56 IfSG aus.
Der Arbeitgeber kann zudem – wenn kein milderes Mittel wie bspw. Home-Office verfügbar ist – von seinem Arbeitnehmer einen Coronatest verlangen, um eine angeordnete Quarantäne vorzeitig zu beenden. Weigert sich der Arbeitnehmer wegen der mit einem Test verbundenen (geringfügigen) körperlichen Eingriffe, wird eine unentgeltliche Freistellung die richtige Folge sein.
Schreck am Strand
In dem Fall, dass ein Mitarbeiter in ein „grünes“ Land oder Gebiet gereist ist, das während seiner Anwesenheit „rot“ wird (aktuelle Fälle: Spanien, Brüssel, Kroatien u.a.), liegt zwar kein Verschulden des Arbeitnehmers vor, aber verpflichtet das BGB den Arbeitgeber nur in wenigen Fällen zur Entgeltfortzahlung wegen unverschuldeter Verhinderung:
Grundsätzlich erfasst § 616 BGB nur Fälle, in denen ein Arbeitnehmer für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Dies ist bei einer zweiwöchigen Quarantäne nicht der Fall. Von § 616 BGB erfasst sind Zeiträume von nur wenigen Tagen – die Grenze wird meist bei maximal fünf Arbeitstagen gezogen. Wenn diese Schwelle einmal überschritten ist, entsteht ein Anspruch nach § 616 BGB nicht teilweise für eine verhältnismäßig geringe Zeit, sondern gar nicht.
Etwas anderes gilt aber, wenn sich der Arbeitnehmer nach Rückkehr aus dem Risikogebiet einem Corona-Test unterzieht und nur wenige Tage auf sein Testergebnis warten muss. In diesem Fall kann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber gemäß § 616 BGB entstehen.
Häufig ist die Anwendung von § 616 BGB ohnehin arbeitsvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ausgeschlossen. In diesem Fall und auch, wenn ein Anspruch aus § 616 BGB wegen zu langer Fehlzeit nicht besteht, greift § 56 IfSG. Nach dieser Norm muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zwar für maximal sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe des Arbeitsentgelts (ab der siebten Woche in Höhe des Krankengeldes) nach § 56 Abs. 1 IfSG zahlen, kann sich das Geld jedoch vom Staat zurückholen (§ 56 Abs. 5 IfSG).
Krank in der Quarantäne
Selbst wenn der Arbeitnehmer während einer nicht durch eine Dienstreise bedingten Quarantäne erkrankt – sei es an Corona oder an einer Blinddarmentzündung –, ist der Arbeitgeber nicht zur Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG verpflichtet. Denn diese setzt eine sogenannte „Monokausalität“ voraus, das heißt, dass die Arbeitsunfähigkeit nur auf der Krankheit beruhen darf. Dies ist bei einer gleichzeitigen Quarantäneverpflichtung gerade nicht der Fall. Dies gilt übrigens sowohl, wenn der Arbeitnehmer bewusst in ein Risikogebiet gereist ist, als auch, wenn sein Reiseziel nachträglich zum Risikogebiet erklärt wurde. Für vom Arbeitgeber angeordnete Dienstreisen wiederum dürften gänzlich andere Regeln gelten – hier wird der Arbeitgeber für die dienstlich verursachten Folgen einzustehen haben.
Auf einen Blick :
Und schließlich Familienfreuden: Kind in der Quarantäne
Die Koffer sind ausgepackt und die Freude auf die Kollegen ist groß – doch was ist, wenn das eigene Kind nicht zur Schule gehen darf, weil es unter Quarantäne gestellt wurde? In diesem Fall ergibt sich ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Arbeitsentgelts aus § 56 Abs. 1a IfSG. Der Anspruch besteht jedoch nur, wenn nicht anderweitig eine zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden kann. Laut der Gesetzesbegründung ist dies beispielsweise dann der Fall, wenn ein Anspruch auf eine sogenannte Notbetreuung in der Kindertagesstätte/ Schule besteht, auf den anderen Elternteil zurückgegriffen werden kann oder andere hierzu bereite Familienmitglieder die Betreuung des Kindes wahrnehmen können – natürlich nicht, wenn diese zur Risikogruppe gehören.
Bei allen Fragen und bei Beratungsbedarf stehen Ihnen Rechtsanwältin Charlotte von Erdmann (mailto: charlotte.erdmann@rittershaus.net) und Rechtsanwalt Eler von Bockelmann (mailto: eler.bockelmann@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.