Der Bundesgerichtshof hat gestern in drei Verfahren (Urteile vom 09.09.21 – I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20) langersehnt zu der Kennzeichnungspflicht für Werbeposts von Influencern entschieden. In den vom Verband sozialer Wettbewerb gegen drei Influencer angestrengten Auseinandersetzungen ging es im Kern darum, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Post – insbesondere auf der Plattform Instagram – aus wettbewerbsrechtlicher Sicht als Werbung gekennzeichnet werden muss.
Wie in diesem Blog im November 2020 bereits berichtet, setzt die Kennzeichnungspflicht grundsätzlich geschäftliches Handeln voraus. Nach (bisheriger) Auffassung der Gerichte war eine Gegenleistung, also eine Vergütung für das Posting durch den Werbepartner für die Annahme des geschäftlichen Handelns keine Voraussetzung. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in diesem Zusammenhang entschieden, dass dies auch für sogenannte „Tap Tags“ gelte. Dabei handelt es sich um anklickbare Bereiche eines Bildes, die über Links zu anderen Profilen, beispielsweise von anderen Influencern oder auch Unternehmen und Händlern weiterleiten und erst nach Anklicken des Bildes sichtbar werden. In Einzelfällen wurde eine Kennzeichnungspflicht gerichtlich allerdings auch verneint, sofern es für den Verkehr offensichtlich war, dass es sich bei Posts um Werbung handelte. Eine Leitlinie zur Kennzeichnungspflicht ließ sich hieraus aber gerade nicht ableiten.
Im Fall um das „Raspberry Jam“ hatte der Bundesgrichtshof nun über ein von einer Influencerin gepostetes Bild zu entscheiden, welches eine Himbeer-Marmelade abbildete und mit einem „Tap Tag“ versehen war, welcher unmittelbar zum Instagram-Profil des Herstellers weiterleitete. Hierfür erhielt die Influencerin eine Gegenleistung; an einem Werbehinweis fehlte es jedoch. Der Bundesgerichtshof stellte in seiner Pressemitteilung Nr. 170/2021 klar, dass Influencer ein Unternehmen betreiben und dementsprechend Posts zur Vermarktung bestimmter Produkte wettbewerbsrechtlich als geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens zu qualifizieren sind (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Zu entscheiden war, ob der besagte Post auch eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens darstellt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt eine solche geschäftliche Handlung – abgesehen von dem Fall, dass die Influencerin eine Gegenleistung erhalten hat – vor, sofern ein Beitrag „nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich“ ist. Das Setzen eines „Tap Tag“ allein reiche noch nicht aus, um einen werblichen Überschuss festzustellen. Übertrieben werblich wäre ein Beitrag jedoch dann, wenn auf die Internetseite des Herstellers verlinkt wird. Der Bundesgerichtshof bejaht einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht, die sich aus dem kommerziellen Zweck des Beitrages (aufgrund der Gegenleistung des Unternehmens) ergibt. Diese vom Bundesgerichtshof getroffene Wertung überrascht nicht.
In den beiden anderen Fällen verneinte der Bundesgerichtshof hingegen einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht und im Ergebnis einen Unterlassungsanspruch mit der Begründung, die Influencerinnen hätten keine Gegenleistung für ihre Beiträge erhalten, sodass es jeweils an kommerzieller Kommunikation und Werbung im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG fehle. Soweit die geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens erfolgten, liege kein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht vor, weil sich dieser kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergäbe.
Aus den Entscheidungen lässt sich damit ableiten, dass Influencer grundsätzlich nicht jeden Beitrag als Werbung kennzeichnen müssen. Insbesondere wenn sie für einen Post keine Gegenleistung erhalten, spricht vieles dafür, dass eine Pflicht zur Kennzeichnung als Werbung nicht besteht. Bei Erhalt einer Gegenleistung muss indessen grundsätzlich eine Kennzeichnung erfolgen. Im Übrigen kommt es für darauf an, ob der Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist. Anhand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt sich also, dass Vorsicht bei der Gestaltung des Influencer-Marketing geboten ist. So reicht ein „Tap Tag“ für das Kriterium der „übertriebenen Werblichkeit“ grundsätzlich nicht aus. Dies wird aber schon dann hinfällig, wenn ein solcher „Tap Tag“ unmittelbar auf die Website des Produktherstellers verlinkt.
Entgegen vielerlei Erwartungen hat der Bundesgerichtshof damit gerade keine klaren und umfassenden Leitlinien für das Verhalten von Influencern in Bezug auf ihre Werbeposts aufgestellt. Zwar wurde das Kriterium der „übertriebenen Werblichkeit“ weiter konkretisiert, wobei es hier im Einzelfall nach wie vor große Differenzen geben kann und es – wie so oft – auf die Umstände des konkreten Falles ankommt. Auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht veröffentlich ist, wird wohl erst das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht Klarheit bringen, welches Regelungen zur Werbekennzeichnung beinhaltet und 2022 in Kraft treten soll. Hierüber werden wir berichten.
Auch für Unternehmen, die Influencer zu Marketingzwecken engagieren, ist nach wie vor empfehlenswert, in den vertraglichen Vereinbarungen Verpflichtungen zur Kennzeichnung der Posts und entsprechende Freistellungen aufzunehmen.
Evelina Levenson ist auf die Beratung rund um den Einsatz von Werbemaßnahmen spezialisiert. Sie steht Ihnen bei Fragen zum Influencer-Marketing gerne zur Verfügung.