Verstöße gegen das Kartellverbot führen nicht selten zu erheblichen Schäden für Kunden, Lieferanten und sonstige Marktteilnehmer. Nicht umsonst werden Verstöße gegen das Kartellverbot durch die Kartellbehörden mit erheblichen Bußgeldern in oft mehrstelliger Millionenhöhe geahndet. Diese bringen den tatsächlich Geschädigten, die aufgrund der Kartellabsprachen oft jahrelang überhöhte Preise bezahlen mussten, keinen unmittelbaren Vorteil. Die vereinnahmten Bußgelder werden nicht etwa an die Geschädigten ausgeschüttet, sondern fließen an den Staat. Die Geschädigten sind gehalten, eigene Schäden unmittelbar gegenüber den Kartellanten geltend zu machen.
Die schwierige Geltendmachung des Schadensersatzes
Die Schadensersatzrichtlinie (2014/104/EU), die seit mehreren Jahren auch im deutschen Recht umgesetzt ist, hat den Kartellgeschädigten im Sinne eines Private Enforcement ein rechtliches Instrumentarium an die Hand gegeben, um Kartellschäden besser geltend zu machen. Neben der bereits zuvor geltenden Bindungswirkung der kartellbehördlichen Entscheidung können die Geschädigten auf Auskunftsansprüche und gesetzliche Vermutungen zurückgreifen; verlängerte Verjährungsfristen und -hemmungen ermöglichen die Geltendmachung auch weit zurückliegender Ansprüche. Auch die Rechtsprechung ist den Geschädigten in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von klägerfreundlichen Entscheidungen oftmals zur Seite gesprungen.
All dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geltendmachung eines Kartellschadens auch weiterhin ein steiniger Weg ist. Die Bindungswirkung gilt lediglich für den Kartellverstoß dem Grunde nach, so dass der Geschädigte diesen nicht mehr beweisen muss, wenn er durch die Kartellbehörde festgestellt wurde. Mit erheblichem Aufwand verbunden ist indes der Nachweis, dass und in welcher Höhe tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Hier kommen Geschädigte oftmals nur durch umfangreiche und entsprechend teure wettbewerbsökonomische Gutachten zum Ziel. Da Kartelle oft jahrelang unentdeckt operieren, fehlen nicht selten die maßgeblichen Geschäftsunterlagen, um einen Schaden im Einzelnen belegen zu können. Die Kartellanten können sich zudem durch die sogenannte „Passing-On Defense“ mit dem Argument verteidigen, dass die Geschädigten den Kartellschaden ganz oder teilweise an ihre Abnehmer weitergegeben haben. Viele Schadensersatzverfahren dauern daher mehrere Jahre und enden oftmals mit – mehr oder weniger zufriedenstellenden – Vergleichen. Angesichts des Umstands, dass Kartellschäden oft als Streuschäden bei einer Vielzahl von Marktteilnehmern jeweils recht überschaubare Schäden hervorrufen, lohnt es sich für den Einzelnen oftmals überhaupt nicht, die Schäden gerichtlich geltend zu machen.
Die Lösung: Schadenspauschalierung
Gibt es insoweit nicht einen einfacheren Weg? Die Antworte lautet: Ja, die gibt es. So können Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen beziehen, in den Verträgen mit ihren Zulieferern Pauschalierungsregelungen aufnehmen, die für den Fall eines Kartellverstoßes des Zulieferers einen pauschalierten Schadensersatz vorsehen. Wenn der Kartellverstoß durch die Kartellbehörden bindend festgestellt wurde, kann der Vertragspartner des Kartellanten, ohne dass er den konkreten Schaden der Höhe nach belegen muss, den pauschalen Schadensbetrag einfordern. Es bedarf in diesem Fall nur noch des Nachweises, dass die in Rede stehenden Produkte von den Kartellabsprachen betroffen waren. Auch wenn sich diese im Einzelfall ebenfalls nicht ganz einfach führen lässt, lässt sich doch oftmals durch die Entscheidung der Kartellbehörden recht gut erkennen, ob die bezogenen Waren oder Dienstleistungen von den Kartellabreden betroffen wurden.
Neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs stützt die Schadenspauschalierung
Bislang war indes unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen derartige Pauschalierungsklauseln wirksam waren. Dies gilt insbesondere für Klauseln in Allgemeinen Einkaufsbedingungen, die sich an den AGB-rechtlichen Bestimmungen messen lassen müssen. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer aktuellen Entscheidung (KZR 63/18) nunmehr eine Pauschalierungsklausel für zulässig und wirksam erachtet, die für den Fall eines Kartellverstoßes bei der betroffenen Ausschreibung einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 5% der Abrechnungssumme vorsieht, sofern der Auftragnehmer nicht einen geringeren Schaden nachweist. Aus Sicht des Bundesgerichtshofs hält eine solche Regelung der Regelung des § 307 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des § 309 Nr. 5 BGB Stand. Danach darf eine Schadenspauschalierung den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen. Dieser ist dem Geschädigten im Vorfeld natürlich nicht bekannt und kann je nach Kartellabreden erheblich variieren. Der Bundesgerichtshof geht unter Verweis auf die OXERA-Studie der EU-Kommission allerdings davon aus, dass ein durchschnittlicher Kartellschaden von 15% der Abrechnungssumme nicht zu beanstanden ist, solange dem Kartellanten die Möglichkeit bleibt, das Bestehen eines geringeren Schadens nachzuweisen.
Auch wenn der Kartellant versuchen könnte, den Nachweis eines geringeren Schadens zu führen, gelangt der Kartellgeschädigte durch eine entsprechende Regelung in eine erheblich vorteilhaftere Position. Anstatt die Höhe des eigenen Schadens nachweisen zu müssen, liegt die Darlegungs- und Beweislast nunmehr auf Seiten des Kartellanten. Dies mag neben den Beweiserleichterungen durchaus auch die Vergleichsbereitschaft des Kartellanten erhöhen, so dass möglicherweise auf eine gerichtliche Auseinandersetzung auch komplett verzichtet werden kann.
Fazit
Schadenspauschalierungsregelungen stellen ein veritables Instrument dar, um Kartellschäden geltend zu machen. Derartige Regelungen entlasten den Geschädigten erheblich, wenn es um die Problematik geht, den eigenen Schaden zu quantifizieren und nachzuweisen. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die Wirksamkeit derartiger Klauseln auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bis zu einer Grenze von 15% der Abrechnungssumme für grundsätzlich wirksam erachtet. Es bietet sich daher an, entsprechende Regelungen in die Allgemeinen Einkaufsbedingungen standardmäßig aufzunehmen. Denn das nächste Kartell kommt bestimmt!
Dr. Anno Haberer berät im Kartellrecht und gewerblichen Rechtsschutz, im allgemeinen Wirtschaftsrecht sowie im IT- und Datenschutzrecht. Für Fragen rund um das Thema Kartellrecht und Schadenspauschalierung steht Ihnen Herr Dr. Haberer (anno.haberer@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.
Lesen Sie dazu auch folgenden Blogbeitrag vom Mai 2020.