Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben nicht nur unmittelbaren Einfluss auf das private und wirtschaftliche Leben in Deutschland, sie wirken sich auch auf die Tätigkeit von Gerichten aus. In diesem Beitrag fassen wir kurz zusammen, was Anspruchsgläubiger und Verfahrensbeteiligte in dieser beispiellosen Zeit bei Eilverfahren, einstweiligen Verfügungen und Gerichtsverhandlungen über Videokonferenzen beachten sollten.
Auch in Krisen wie der COVID-19-Pandemie erfordern dringliche Umstände gerichtlichen Eilrechtsschutz.
Hierzu zählen etwa Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht (UWG) durch unlauteres Werbeverhalten, markenrechtswidriges Vorgehen oder äußerungsrechtliche Komplexe in Gestalt persönlichkeitsrechtsverletzender Inhalte in den Medien. Hiervon Betroffenen steht, soweit es nicht zu einer außergerichtlichen Verständigung mit dem Rechtsverletzer kommt und sich dieser ernstlich zu einer künftigen Unterlassung seines Handelns verpflichtet, das Instrument der einstweiligen Verfügung zur Seite.
Das insoweit zur Anwendung gelangende Gerichtsverfahren lässt sich unter Berücksichtigung der aktuellen Gesamtumstände nach wie vor weitgehend ohne relevante Hindernisse oder sonstige erhebliche Einschränkungen durchführen. Regelmäßig findet nämlich der überwiegende Verfahrensteil rein schriftlich statt. Bei den Gerichten sind vielfach äußerst spezialisierte Spruchkörper involviert. Für diese stellen Eilanträge und ihre möglichst zeitnahe Bearbeitung somit auch in Krisenzeiten kaum Besonderheiten dar.
Im Vorfeld des Verfügungsantrags und bei seiner Einleitung ist allerdings auch während der Pandemie Eile geboten. Der Antragsteller muss nämlich deutlich machen, dass es ihm mit der Durchsetzung seiner Ansprüche dringlich ist. Zwar werden die Gerichte unter Berücksichtigung der Krise aller Voraussicht nach in zeitlicher Hinsicht etwas großzügigere Maßstäbe anlegen. Dabei werden sie etwa plötzliche Erkrankungen genauso berücksichtigen wie die Tatsache, dass ein Gespräch zwischen Mandant und Anwalt ggfls. nur verzögert erfolgen kann oder wegen der Arbeit aus den Homeoffices bestimmte Dokumente nicht „sofort“ verfügbar sind. Erhebliche und (vor allem) nicht plausibel zu erklärende Zeitverzögerungen können aber durchaus ins Gewicht fallen und den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung erschweren, im Ernstfall gar verhindern.
Mitunter bedarf es allerdings auch im Eilverfahren so wie in einem „normalen“ Prozess einer mündlichen Verhandlung. Dem darf sich der Antragsteller nicht widersetzen; insbesondere sollte er unbedingt davon absehen, eine Terminverlegung „nach hinten“ zu beantragen. Damit würde er nämlich dokumentieren, dass es ihm mit der Rechtsdurchsetzung doch nicht „so eilig“ ist. Kommt es zur Anberaumung eines Verhandlungstermins eröffnet das Verfahrensrecht dem Antragsteller insbesondere die Möglichkeit, deren Durchführung im Wege einer Videokonferenz zu beantragen. Auf diesem Weg lassen sich nicht nur die Reise zum Gericht unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie der Bahn und der Besuch öffentlicher Gebäude mit dort zu erwartenden Menschenansammlungen vermeiden. Vielmehr kann der Antragsteller auch hierdurch dokumentieren, dass es ihm mit seinem Begehren sehr eilig ist. Folgt das Gericht dem Antrag auf Abhaltung der Verhandlung im Wege einer Videokonferenz, schalten sich die Prozessbeteiligten von unterschiedlichen Orten unter Einsatz entsprechender technischer Hilfsmittel zusammen und erörtern die Sach- und Rechtslage. Auf Basis der damit absolvierten Verhandlung trifft das Gericht dann seine Entscheidung.
COVID-19 birgt für uns alle besondere Herausforderungen und Ausnahmesituationen. Die Zivilrechtspflege läuft aber nach wie vor; vor allem in Eilverfahren lässt sich auch unter relevant erschwerten Gesamtumständen zeitnah Rechtsschutz erlangen.
Der Autor:
Henrik Steffen Becker
Rechtsanwalt, Partner,
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
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Der Autor ist Mitglied der RITTERSHAUS Praxisgruppe Litigation und steht Ihnen rund um das Thema Prozessführung jederzeit unter litigation@rittershaus.net zur Verfügung.
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