Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben nicht nur unmittelbaren Einfluss auf das private und wirtschaftliche Leben in Deutschland, sie wirken sich auch auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus. In diesem Beitrag fassen wir kurz zusammen, was Anspruchsgläubiger und Verfahrensbeteiligte in dieser beispiellosen Zeit beachten sollten und ob es insbesondere einen Zeitgewinn durch die Hemmung der Verjährung gibt.
Um die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie zu verlangsamen, wurden etliche Maßnahmen getroffen, die sich unmittelbar auf die betrieblichen Abläufe in Unternehmen auswirken. Die Maßnahmen können auch dazu führen, dass einzelne Unternehmen ihren Geschäftsbetrieb nicht mehr aufrechterhalten können. Gerade in dieser Zeit ist es für Gläubiger wirtschaftlich umso wichtiger, bestehende Ansprüche durchzusetzen und nicht auf ein Ende der Pandemie zu warten. Dies gilt insbesondere, wenn die Ansprüche alsbald verjähren könnten.
Grundsätzlich kommt zwar eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt nach deutschem Recht (§ 206 BGB) in Betracht, die dem Gläubiger Zeit verschaffen kann. Allerdings sind die Voraussetzungen hierfür sehr hoch. Dem Gläubiger muss die Besorgung der eigenen Angelegenheiten unmöglich sein. Dies wäre allenfalls denkbar, wenn der Geschäftsbetrieb vollständig zum Erliegen kommt und der Gläubiger dies auch dann nicht hätte verhindern können, wenn er entsprechende Vorsichts- oder Abwendungsmaßnahmen getroffen hätte.
Diese strengen Voraussetzungen des § 206 BGB machen deutlich, dass sich Gläubiger während der Krise keinesfalls auf die Hemmung der Verjährung verlassen sollten.
Ganz im Gegenteil sollten Gläubiger gerade jetzt einer etwaigen Verjährung entgegenwirken. Verjährungshemmende Maßnahmen können insbesondere eine Vereinbarung mit dem Schuldner oder die Einleitung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen (z.B. (europäisches) Mahnverfahren oder (Schieds-)Gerichtsverfahren) sein.
Sollte ein Unternehmen derart betroffen sein, dass auch solche Maßnahmen nicht mehr denkbar sind, ist das Erliegen des Geschäftsbetriebs zumindest so zu dokumentieren, dass man sich in einem etwaigen späteren gerichtlichen Verfahren gegen den Schuldner erfolgreich auf die Verjährungshemmung berufen kann.
Unabhängig davon kann die Verjährung auch beim Stillstand der Rechtspflege gehemmt sein. Davon wäre auszugehen, wenn alle im Einzelfall zuständigen Gerichte Ihre Tätigkeit vollständig eingestellt hätten. Zwar haben nahezu alle Bundesländer unverbindliche Handlungsempfehlungen für die Gerichte ausgesprochen, um den Gerichtsbetrieb auf Kernbereiche zu beschränken und den Publikumsverkehr zu verringern. Damit ist allerdings noch kein Stillstand der Rechtspflege erreicht, der zu einer Verjährungshemmung führen könnte. Die verzögerte Bearbeitung und Zustellung sowie Verlegung von Terminen ist hierfür nicht ausreichend, selbst wenn die Verzögerungen langwierig sind. Auch die gegebenenfalls eingeschränkte gerichtliche Tätigkeit sollte also keinen Gläubiger davon abhalten, seine Ansprüche – soweit erforderlich – durch Klagen geltend zu machen. Selbst wenn eine Klage dem Schuldner aufgrund der verzögerten Bearbeitung erst nach Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt wird, wirkt die spätere Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage gemäß § 167 ZPO zurück. Auch in diesem Fall kann die Verjährung also durch Einreichung der Klage gehemmt werden.
Sollten Gerichte im Übrigen das Ruhen des Verfahrens aufgrund der aktuellen COVID- 19-Krise anregen, sollten Kläger dem nur dann zustimmen, wenn der Beklagte auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Ohne eine derartige Vereinbarung läuft die Verjährungsfrist nach Ablauf von 6 Monaten nach Beginn des Ruhens des Verfahrens weiter.
Auch in Zeiten der Pandemie gilt es daher, die Wahrung von Fristen zu überwachen oder Fristen durch Vereinbarung mit der Gegenpartei entsprechend zu verlängern.
Der Autor:
Lars Schmidt
Rechtsanwalt, Partner,
lars.schmidt@rittershaus.net
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Der Autor ist Mitglied der RITTERSHAUS Praxisgruppe Litigation und steht Ihnen rund um das Thema Prozessführung jederzeit unter litigation@rittershaus.net zur Verfügung.
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