Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben nicht nur unmittelbaren Einfluss auf das private und wirtschaftliche Leben in Deutschland, sie wirken sich auch auf die Durchführung von Schiedsverfahren aus. In diesem Beitrag fassen wir kurz zusammen, was Anspruchsgläubiger und Verfahrensbeteiligte in dieser beispiellosen Zeit beachten sollten und welche Auswirkungen die Pandemie auf Schiedsverfahren hat.
Auf Schiedsverfahren kann die Pandemie zahlreiche Auswirkungen haben. Diese hängen jedoch sehr stark von den Besonderheiten des jeweiligen Falles ab. Erforderlich ist daher eine sorgfältige Einzelfallprüfung. Je nach Ausgestaltung der Schiedsklausel und Stand des jeweiligen Verfahrens ist alles denkbar von geringen bis gar keinen Auswirkungen über starke Beeinträchtigungen bis hin zu einer Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens. Letztere kann theoretisch, wenn am Schiedsort Artikel 8 Nr. 1 des UNCITRAL Modellgesetzes für internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit umgesetzt wurde, zu einer Zulässigkeit der Klage vor staatlichen Gerichten führen.
Als ein Vorteil des Schiedsverfahrens wird es allgemein angesehen, dass die Parteien die Verfahrensregeln selbst bestimmen können und damit auf die Auswirkungen der Pandemie spontan und flexibel regieren können. In der Praxis sind die Parteien zu derartigen flexiblen Lösungen nur in seltenen Fällen bereit, wenn alle Parteien an einer schnellen Klärung interessiert sind. In vielen Fällen sind die Interessen hier jedoch entgegengesetzt, was dazu führt, dass pragmatische Lösungen von der Partei, die kein Interesse an einer schnellen Lösung hat (typischerweise die Partei, die auf Zahlung verklagt ist), blockiert werden.
In Zeiten der Pandemie ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kaum möglich, zumal wenn dafür die Parteien und Schiedsrichter aus verschiedenen Ländern anreisen müssen. Dies kann zu einer Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung führen, wenn die Parteien entweder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest vereinbart haben oder wenn durch Schiedsordnung oder das Recht am Schiedsort vorgesehen ist, dass die mündliche Verhandlung bei Antrag durch eine Partei zwingend durchzuführen ist (siehe Artikel 24 Nr. 1 des UNCITRAL Modellgesetzes für internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit). Zwar ist in der Regel das Schiedsgericht frei zu bestimmen, wann die mündliche Verhandlung stattfindet. Häufig schreiben moderne Schiedsordnungen jedoch kurze Fristen für die Beendigung des Schiedsverfahrens vor. Eine Undurchführbarkeit kommt daher in Betracht, wenn die mündliche Verhandlung aufgrund dieser Fristen in einem Zeitraum stattzufinden hat, während dessen die Beschränkungen aufgrund der Pandemie bestehen.
Eine Videokonferenz statt einer Präsenz-Verhandlung ist häufig keine Alternative, weil weder im Modellgesetz noch in den gängigen Schiedsordnungen ein Recht des Schiedsgerichts vorgesehen ist, gegen den Willen einer Partei eine mündliche Verhandlung im Wege der Videokonferenz anzuordnen.
Die Arbeit der institutionellen Schiedsgerichtshöfe wird durch die Pandemie in gleicher Weise beeinträchtigt wie die Tätigkeit von Unternehmen im jeweiligen Land. Die in Deutschland am häufigsten gewählten Schiedsorganisationen Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) und der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) haben ihren Betrieb nicht eingestellt, ihre Aktivitäten aber reduziert.
Die DIS hat ihr Büro in Berlin auf unbestimmte Zeit geschlossen, so dass die Korrespondenz (insbesondere Schiedsklagen) über das Büro Bonn zu führen ist. Die Mitarbeiter sind zum Teil in Telearbeit. Die DIS hat unter anderem verkündet, von ihr gesetzte Fristen im Falle von Auswirkungen der Pandemie ggf. zu verlängern.
Die Büros der Sekretariate des ICC in Paris sind ebenfalls aktiv, wobei die Mitarbeiter mobil von zu Hause aus arbeiten. Eine Kontaktaufnahme ist nur per E-Mail möglich, Postsendungen müssen vorab angekündigt werden. Verhandlungen vor dem ICC hearing center wurden bis zum 13.04.2020 verschoben oder abgesagt.
Der Autor:
Dr. Daniel Berg
Rechtsanwalt, Partner,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Der Autor ist Mitglied der RITTERSHAUS Praxisgruppe Litigation und steht Ihnen rund um das Thema Prozessführung jederzeit unter litigation@rittershaus.net zur Verfügung.
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