Durch das am 21. Februar 2019 beschlossene Brexit-Steuerbegleitgesetz (Brexit-StBG) wurden Übergangsregelungen für Sachverhalte geschaffen, in denen Steuerpflichtige bereits in der Vergangenheit steuerbare Vorgänge ausgelöst haben.
Das Brexit-StBG versucht nur jene steuerlichen Problemfälle zu entschärfen, die einzig durch den Brexit bedingt sind. Die Belastung steuerbarer Vorgänge nach dem Brexit regelt es allerdings nicht.
Die steuerlichen Regelungen des Gesetzes, die sowohl bei einem Hard-Brexit ohne Austrittsabkommen als auch im Falle des Abschlusses eines Austrittsabkommens mit Interimsphase (Soft-Brexit) nach deren Ablauf zur Anwendung kommen, sollen verhindern, dass sich allein durch den Brexit und ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen nachteilige steuerliche Konsequenzen im Hinblick auf in der Vergangenheit verwirklichte Sachverhalte ergeben. Dies ist nur bedingt gelungen.
Das Vereinigte Königreich wird erst nach Ablauf einer etwaigen Übergangsfrist als Drittstaat behandelt werden. Inkrafttreten, Beginn und Dauer dieses Interimszeitraums sind derzeit unklar.
Nachfolgend sollen einige Beispiele von Neuregelungen aus den für die Vermögensnachfolgeplanung besonders relevanten Steuergesetzen kurz vorgestellt werden.
Erbschaftsteuerliche Gesichtspunkte
Wurden fehlende Regelungen zum Brexit im Rahmen des zum Ende des Jahres 2018 veröffentlichten Entwurfs der Erbschafsteuer-Richtlinien allseits noch schmerzlich vermisst, finden sich derartige Regelungen erfreulicherweise im Brexit-StBG.
Die Behandlung erbschaftsteuerlich begünstigten Betriebsvermögens erhält mit § 37 Abs. 17 ErbStG durch das Brexit-StBG einen Auffangtatbestand. Im Wege einer Fiktion, soll das Vereinigte Königreich – bis zum vollzogenen Austritt – weiterhin als EU-Mitglied zu behandeln sein.
Beispiel:
Unternehmer U hat vor einem Jahr seine deutsche GmbH an seinen in Deutschland lebenden Sohn geschenkt. Dabei nahm der Sohn die Begünstigung für Familienunternehmern in Anspruch. Bei der Feststellung der Begünstigungsvoraussetzungen wurde berücksichtigt, dass die deutsche GmbH an einer britischen Gesellschaft beteiligt ist, die viele Mitarbeiter beschäftigt.
Die Übertragung von Familienunternehmen ist in Deutschland – vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen – erbschaftsteuerfrei, wenn Arbeitsplätze innerhalb einer bestimmten Frist erhalten bleiben. Hierbei werden aber nur Arbeitsplätze in der EU berücksichtigt. In dem vorstehenden Beispiel wurden zum Zeitpunkt der Schenkung Arbeitsplätze in Großbritannien berücksichtigt. Aufgrund des Austritts Großbritanniens würden nach Ablauf der Frist von sieben Jahren die dortigen Arbeitsplätze nicht mehr berücksichtigt, da diese nicht mehr in der EU sind. Der Sohn wird dann – auch ohne faktischen Arbeitsplatzabbau – gegen die Begünstigungsvoraussetzungen verstoßen und muss Erbschaftsteuer für das erhaltene Familienunternehmen nachzahlen.
- 37 Abs. 17 ErbStG wird dies für bereits in der Vergangenheit liegende Vorgänge voraussichtlich verhindern. Nach dem Brexit wird das Vereinigte Königreich jedoch als Drittstaat zu behandeln sein.
Wegzugsbesteuerung
Hat der Steuerpflichtige von der Möglichkeit der Stundung von Wegzugsteuern Gebrauch gemacht, gilt es die weiteren Entwicklungen genauestens zu verfolgen. Zwar soll der neu eingeführte § 6 Abs. 8 AStG vermeiden, dass alleine der Brexit zu einem Widerruf der Stundung führt.
Allerdings können dem Brexit nachgehende Handlungen des Steuerpflichtigen einen Widerruf auslösen – unter Umständen auch durch eine der Einlage nachgehende Überführung von Anteilen in eine Drittstaats-Betriebsstätte – weshalb Vorsicht geboten ist.
Beispiel:
Der erfolgreiche Unternehmer U ist an einer deutschen GmbH beteiligt. Seine erwachsene Tochter studiert derzeit in Großbritannien und möchte dort langfristig bleiben. Verstirbt U nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU und vererbt er nach Maßgabe der deutschen gesetzlichen Erbfolge seine GmbH-Beteiligung an die in Großbritannien lebende Tochter, so wird in Deutschland wegen der Behandlung Großbritanniens als Drittstaat die sog. Wegzugsbesteuerung ausgelöst, d.h. die GmbH-Beteiligung gilt als einkommensteuerpflichtig veräußert.
Für diesen Fall wird zwar der Widderruf der Stundung durch § 6 Abs. 8 AStG verhindert, die Einkommensteuerpflicht bleibt in dieser nicht optimierten Konstellation jedoch unbeschränkt bestehen.
Körperschaftsteuerliche Gesichtspunkte
Vor allem bei der Verlegung von Sitz oder Geschäftsleitung einer Körperschaft (also auch Stiftungen und Trusts) sowie Kapitalgesellschaften sollte der Steuerpflichtige die steuerlichen Entwicklungen dringend beobachten.
Insbesondere Liquidationssteuern und die Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven, sind zu befürchten.
Zur Vermeidung hält das Brexit-StBG Werkzeuge bereit, welche optimiert auf den Einzelfall genutzt werden sollten.
Grunderwerb- und Umwandlungssteuerechtliche Gesichtspunkte
Die Einordnung einer Limited nach dem Brexit ist – bei fehlendem Zutun der Gesellschafter – unklar. Sie kann je nach konkretem Einzelfall als OHG, GbR, oder bei Alleingesellschaftern als Einzelkaufmann oder gar Privatperson anzusehen sein.
Dies gilt es durch eine schnellstmögliche Umwandlung der Rechtsform zu verhindern.
Zwar finden sich Regelungen welche eine Besteuerung wegen Grundstückerwerbs einzig wegen des Brexits vermeiden sollen. Es gibt jedoch diverse ungeregelte Szenarien, die ihrerseits wieder Behaltefristen auslösen.
Wegfall der Vergünstigungen der Mutter-Tochter-Richtlinie
Die europäische Mutter-Tochter-Richtlinie sieht eine vollständige Befreiung von der Kapitalertragsteuer respektive Quellensteuer auf Dividendenzahlungen innerhalb eines europäischen Unternehmensverbunds vor, um eine Doppelbesteuerung dieser Dividenden zu vermeiden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft zu mindestens 10% unmittelbar beteiligt ist und das betreffende Beteiligungsverhältnis mindestens zwei Jahre besteht.
Das Brexit-StBG enthält diesbezüglich keine Erleichterungen.
Beispiel:
Das Familienunternehmen hält auch Beteiligungen von über 10% an einer britischen Gesellschaft. Bislang waren die Dividendenzahlungen steuerbefreit. Mit dem Brexit wäre sodann die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Doppelbesteuerungsabkommen UK (DBA UK) zwischen Großbritannien und Deutschland enthaltene Quellensteuerreduzierung auf 5% zu beachten, wodurch die Nettodividende geschmälert wird.
Die zu befürchtende Belastung des Steuerpflichtigen wird durch das Brexit-StBG nicht geschmälert. Dies kann einzig durch entsprechende aktive Gestaltungen erreicht werden.
Fazit
Das Brexit-StBG versucht die gravierendsten steuerrechtlichen Nachteile des Austritts Großbritanniens und Nordirlands für in der Vergangenheit liegende Vorgänge zu verhindern.
Der Gesetzgeber hat zwar angestrebt zumindest die typischsten Konstellationen bereits realisierter Sachverhalte zu regeln, die Komplexität des Steuerrechts bedingt jedoch, dass das Brexit-StBG nicht alle Konstellationen erfassen kann.
Wie gezeigt, wurden einige Teilgebiete zudem stiefmütterlich behandelt.
Das Brexit-StBG ist somit nicht als Antwort auf alle steuerlichen Probleme im Kontext des Brexits, sondern als kurzfristige Antwort auf ein bedauerliches politisches Ereignis zur Vermeidung katastrophaler Auswirkungen konzipiert.
Es gibt den Steuerpflichten eine Schonfrist, sich auf die veränderten steuerlichen Tatsachen einzustellen – es wäre aber folgenschwer davon auszugehen, dass auch zukünftig keine eigenen Initiativen mehr erforderlich sind.
Der vorliegende Beitrag soll nur einen groben Überblick über die steuerlichen Folgen des Brexits vermitteln. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann die persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen. Bei Fragen zu sämtlichen steuerrechtlichen Themen rund um den Brexit können Sie sich jederzeit an unsere Rechtsanwälte Pawel Blusz LL.B., LL.M. (Pawel.Blusz@rittershaus.net) und Benjamin Rothmund (Benjamin.Rothmund@rittershaus.net) wenden.