In unserem Blogbeitrag vom 10. Mai 2022 wurde umfassend über den Schadensersatzanspruch der Verbraucher bei unlauterer Werbung berichtet. Anknüpfend hieran beleuchtet dieser Beitrag weitere – weitgehende – Änderungen, die mit der Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161) einhergehen.
Die bereits am 28. Mai 2022 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen zielen verstärkt auf die Verbesserung der Transparenz im Online-Handel ab. Die Regelungen treffen Online-Plattformbetreiber und Online-Händler gleichermaßen. Künftig sind auf Online-Markplätzen die wesentlichen Parameter und ihre Gewichtung für das Ranking im Suchergebnis verständlich und leicht einsehbar für die Nutzer bereitzustellen. Die Definition der „wesentlichen Parameter“ ist denkbar weit formuliert. Flankierend schreibt die sogenannte „schwarze Liste“ der unzulässigen geschäftlichen Handlungen vor, dass bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen für ein höheres Ranking eindeutig offen zu legen sind. Auf Bewertungsportalen ist zudem darüber zu informieren, ob die Echtheit der Bewertung überprüft wurde und mit welchen Prozessen und Verfahren dies erfolgt ist.
Ein weiteres spannendes Feld, welches die Omnibus-Richtlinie thematisiert, sind Kundenbewertungen, die bei der Entscheidungsfindung der Verbraucher im Fernabsatzgeschäft eine immens wichtige Rolle spielen. Die Abgabe oder Beauftragung gefälschter Verbraucherbewertungen und falsche Darstellung von Bewertungen zu Zwecken der Verkaufsförderung ist stets unzulässig. Ferner unterliegt die Behauptung, dass Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben, einem per-se-Verbot, wenn keine angemessenen und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden. Online-Händler sind zudem verpflichtet, darüber zu informieren, ob und wie sichergestellt wird, dass die Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben.
Äußerst praxisrelevant sind ferner die Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie dessen Einführungsgesetz (EGBGB). Diese finden sich vor allem im Bereich des gesetzlichen Widerrufsrechts. So enthalten die Neuregelungen Modifikationen des Widerrufsrechts für Dienstleistungen und Verträge über digitale Inhalte. Betroffen sind zudem die Informationen in Muster-Widerrufsbelehrungen, welche in der Praxis dringend anzupassen sind – es darf keine Angabe einer Telefaxnummer erfolgen; stattdessen wird die Angabe einer Telefonnummer zur Pflicht.
Weitere bemerkenswerte Neuregelungen im Bereich des UWG betreffen das sog. „Influencer-Marketing“. Wie wir in diesem Blog bereits im September 2021 berichteten, hat zuletzt auch der BGH zur Kennzeichnungspflicht für Werbeposts von Influencern entschieden und auch in den zum Jahresbeginn gefällten Urteilen bereits Leitlinien zur Kennzeichnungspflicht im Lichte der Neuregelung des § 5a IV UWG aufgestellt. Die Regelung statuiert ein unlauteres Handeln, sofern der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich gemacht wird. Ein kommerzieller Zweck soll nunmehr aber gerade nicht vorliegen, wenn die betreffende Person bei Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhält oder sich versprechen lässt. Insbesondere mit der vagen Formulierung der „ähnlichen Gegenleistung“ wird ein weiter Interpretationsspielraum eröffnet. Bemerkenswert ist zudem, dass nach der Regelung eine Gegenleistung vermutet wird, solange der Handelnde – also der Influencer – nichts Gegenteiliges glaubhaft macht.
Des Weiteren wurde auch die Preisangabeverordnung (PAngV) in Umsetzung der Omnibus-Richtlinie geändert. Die Neuregelung betrifft dabei die Werbung mit Rabatten durch die Händler. So müssen diese in Zukunft bei einer Preisermäßigung den vor der Anwendung der Preisreduzierung innerhalb der letzten 30 Tage angewendeten niedrigsten Preis angeben. Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass Händler vor einer Rabattaktion ihre Preise kurzfristig anheben, um mit einer im Anschluss gewährten Ermäßigung den Preisunterschied entsprechend größer wirken zu lassen. Bekannt ist diese Thematik unter dem Schlagwort „Mondpreise“.
Schließlich werden im EGBGB neue Bußgeldtatbestände für „weitverbreitete Verstöße“ im Zusammenhang mit der Verletzung von Verbraucherinteressen verankert – diese treten allerdings erst am 1. Juli 2022 in Kraft. Unternehmen drohen dabei hohe Bußgelder, wenn sie beispielsweise unwirksame AGB-Klauseln im Sinne von § 309 BGB verwenden oder einen Bestellbutton in einem Online-Shop falsch bezeichnen und vorgeschriebene Informationen vor Abschluss des Vertrages nicht zur Verfügung stellen.
Ausblick:
Die neuen Regelungen stellen Unternehmer vor zahlreiche Herausforderungen in unterschiedlichen Aspekten, die hier nur angerissen werden können.
Hinsichtlich der Rankings dürfte für Online-Marktplatzbetreiber die Schwierigkeit darin liegen, hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen und dabei gleichzeitig die eigenen Geschäfts- und möglicherweise betroffene Geheimhaltungsinteressen zu wahren.
Das Verbot gefälschter Verbraucherbewertungen leuchtet ohne weiteres ein. Der Umfang der Informationen, die zur Verfügung gestellt werden müssen, kann jedoch unterschiedlich sein, so dass für Unternehmer ein erhöhtes Risiko besteht, unzureichend oder falsch zu informieren.
Auch für Influencer verstärken sich die Pflichten im Marktgeschehen, insbesondere im Hinblick auf die Vermutung der gewährten Gegenleistung. Im Rahmen von außergerichtlichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen dürfen Influencer nicht versäumen, sich auf die fehlende Gegenleistung zu berufen.
Während zahlreiche Informationen für Wettbewerber oder sonstige Markteilnehmer nicht ohne weiteres zugänglich sein dürften, lassen sich Abmahnwellen wegen Verstößen gegen einige der Informationspflichten, deren Umfang und Reichweite im Gesetz klar definiert sind, nicht ausschließen. Dies trifft insbesondere auf die gegebenenfalls notwendig gewordene Anpassung der Widerrufsbelehrung zu. Ein Rettungsanker könnte allenfalls das Erfordernis der Spürbarkeit des Verstoßes sein.
Unternehmern ist in Anbetracht der weitgehenden Regelungen dringend anzuraten, ihren Außenauftritt, Allgemeine Geschäftsbedingungen und den Online-Shop auf die Einhaltung der neuen gesetzlichen Lage überprüfen zu lassen. Bei Verstößen gegen die genannten Pflichten drohen kostenpflichtige Abmahnungen – und im Falle von weitreichenden Verstößen sogar empfindliche Bußgelder.
Evelina Levenson ist auf die Beratung rund um den Einsatz von Werbemaßnahmen spezialisiert und steht Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.