Die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) sowie die Maßnahmen, die von den Behörden zur Eindämmung des Anstiegs der Infektionen mit dem Virus getroffen wurden, haben zu erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und des Wirtschaftslebens geführt. Es wurden zahlreiche Einrichtungen geschlossen, Veranstaltungen untersagt und Geschäfte von Unternehmen des produzierenden Gewerbes beschränkt oder eingestellt.
Nun sollen damit zusammenhängende Einkommensverluste abgemildert werden. Dabei visiert der Gesetzgeber mit dem das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) betreffenden Abschnitt weniger den Schutz des Wirtschaftsverkehrs insgesamt als vielmehr die Existenzsicherung von Verbrauchern und besonders schutzbedürftigen Unternehmen an. Das vornehmliche Ziel ist, diese Gruppe davor zu schützen, dass sie ihre vertraglichen Pflichten bei „wesentlichen Dauerschuldverhältnissen“ nicht erfüllen kann.
Mit dem hier relevanten Artikel 5 des Gesetzes soll Artikel 240 EGBGB neu gefasst werden. Die nachfolgende Darstellung beruht auf dem am 25. März 2020 vom Bundestag angenommenen Gesetzesentwurf, Drucksache 19/18110.
Allgemeines Vertragsrecht (§ 1 der Neufassung)
Für den Bereich des Zivilrechts soll mit dem Gesetz ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen eingeführt werden, das Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die wegen der Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbringen können, einen Aufschub gewährt. Problematisch an der Ausgestaltung ist allerdings, dass die Regelung nur zu einer Verzögerung der Schwierigkeiten führen dürfte. Durch die „harte Grenze“ nach dem Ablauf des zeitlichen Anwendungsbereiches der Regelungen sind die Forderungen nämlich im Anschluss sofort fällig. Es ist zu befürchten, dass sich die dargestellten Liquiditätsbelastungen dann (erneut) auswirken.
Das Moratorium bezieht sich auf Verbraucher (§ 13 BGB) im Rahmen von Verbraucherverträgen (§ 310 Absatz 3 BGB); auch Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission – also Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz EUR 2 Millionen nicht überschreitet – wird ein Leistungsverweigerungsrecht zugesprochen (persönlicher Anwendungsbereich).
Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Für Verbraucher sind dies solche, die „zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind“ – also beispielsweise Verträge über Strom, Gas, Wasser, Pflichtversicherungen oder Telekommunikation. Für Kleinstunternehmen sind es solche, die „zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind“, was ausweislich der Begründung im Wesentlichen die schon genannten Fallgruppen umfasst. In der Literatur wird angemerkt, dass auch wesentliche Lieferantenbeziehungen dazu zählen könnten, sofern diese als Dauerschuldverhältnisse ausgestaltet sind.
Eine weitere Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts für den Verbraucher ist, dass dieser gerade infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, nicht ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts für ihn oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen leisten kann; für Kleinstunternehmer gilt eine vergleichbare Voraussetzung. Die neuen Regelungen greifen nicht, wenn die Leistungsverweigerung für den Gläubiger unzumutbar ist.
Das Leistungsverweigerungsrecht führt nun bei Ausübung durch den Schuldner dazu, dass dieser mit seiner Leistung nicht in Verzug geraten kann. Das Leistungsverweigerungsrecht soll die Entstehung von Sekundäransprüchen, die an die Nichterbringung von Leistungspflichten geknüpft sind, hindern (zum Beispiel Schadensersatz wegen Verzug, § 286 Absatz 1 BGB, sowie Verzugszinsen; Schadensersatz statt der Leistung, § 281 Absatz 1 BGB; Rücktritt, § 323 Absatz 1 BGB). Die Leistungsverweigerung per se begründet zudem keine Pflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung des Vertragspartners (§ 314 BGB) rechtfertigen würde. Die primäre Leistungspflicht bleibt grundsätzlich bestehen und ist nach Ablauf des Moratoriums zu erfüllen.
Die Regelung gilt bis zum 30. Juni 2020 für alle Verträge, die vor dem 8. März 2020 geschlossen worden sind (zeitlicher Anwendungsbereich). Die Regelung sieht eine Ermächtigung für die Bundesregierung vor, durch Rechtsverordnung die Dauer des Leistungsverweigerungsrechts bis zum 30. September 2020 zu verlängern. Es besteht sogar noch eine Verlängerungsmöglichkeit über diesen Zeitraum hinaus.
Verbraucherdarlehensverträge (§ 3 der Neufassung)
Im Hinblick auf Verbraucherdarlehensverträge soll eine gesetzliche Stundungsregelung für Zins- und Tilgungsleistungen sowie eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist eingeführt werden. Das Zusammenspiel dieser Maßnahmen soll den Vertragsparteien die Möglichkeit geben, sich auf eine abweichende Vertragslösung zu einigen. Flankiert wird dies von einem Kündigungsschutz.
Die Neuregelung betrifft alle Verbraucherdarlehensverträge im Sinne des § 491 BGB, die vor dem 15. März 2020 geschlossen wurden. Für diese gilt, dass alle zwischen dem 01. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werdenden Ansprüche ab Fälligkeit für drei Monate gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch das Auftreten der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen Umstände Einnahmeausfälle hat. Aufgrund dieser Ausfälle muss die Leistungserbringung unzumutbar sein. Dies hat der Darlehensnehmer gegebenenfalls darzulegen und zu beweisen. Der Verzug des Verbrauchers wird so verhindert.
Bis zum Ablauf der Stundung ist auch die Kündigung durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzuges, wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit ausgeschlossen. Damit wird der bisher garantierte Kündigungsschutz angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Ausfälle wesentlich ausgeweitet. Die Stundungs- und Kündigungsregelungen greifen wiederum nicht, wenn sie für den Darlehensgeber unzumutbar sind.
Der Darlehensgeber ist zudem aufgerufen, den Verbraucher über mögliche einverständliche Lösungen zur weiteren Zukunft des Darlehens zu beraten. Kommt eine solche nicht bis zum 30. Juni 2020 zustande, verlängert sich die Vertragslaufzeit insgesamt um drei Monate. Vorgesehen ist ferner die Ermächtigung der Bundesregierung, die Regelungen per Rechtsverordnung auf andere Gruppen, insbesondere Kleinstunternehmer, zu erweitern. Hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs der Regelung sind auch hier Verlängerungsmöglichkeiten vorgesehen.
Fazit
Insgesamt führt das Gesetz begrüßenswerte Neuerungen zur Unterstützung der von der COVID-19-Pandemie betroffenen Verbraucher und Kleinstunternehmen ein. Allerdings lässt die Umsetzung bereits jetzt durchaus Spannungspotential erkennen; insbesondere ist – wie oben ausgeführt – nur eine Verschiebung der Problematik zu erwarten. Das Gesetz arbeitet zudem, insbesondere in dem Abschnitt zur Kleinstunternehmer-Regelung, mit einer Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen. Dies erschwert nicht nur die Abgrenzung, sondern ist vor allem aus dem Grund problematisch, dass damit die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts unklar sind. Dies kann schwerwiegende Konsequenzen für die Vertragspartner zeitigen.
Bei allen Fragen und bei Beratungsbedarf stehen Ihnen Rechtsanwalt Dr. Marc Hauser (marc.hauser@rittershaus.net) und Rechtsanwalt Patrick Schultes (patrick.schultes@rittershaus.net) gerne zur Verfügung.
Den vollständigen Artikel können Sie hier im Newsletter Allgemeines Vertragsrecht und Darlehensrecht März 2020: Newsletter Allgemeines Vertragsrecht und Darlehensrecht März 2020 (PDF)
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